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Haft für NS-Kriegsverbrecher

11. August 2009

Wegen zehnfachen Mordes an italienischen Zivilisten im Kriegsjahr 1944 hat das Landgericht München einen 90-jährigen früheren Wehrmachtsoffizier zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

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Josef Scheungraber (Foto: dpa)
Soll unschuldige Zivilisten getötet haben: Josef ScheungraberBild: Picture-alliance/dpa

Das Schwurgericht war nach knapp elfmonatiger Beweisaufnahme überzeugt, dass der Angeklagte Josef Scheungraber 1944 in der Toskana den Befehl zu einem Vergeltungsschlag für den Tod zweier Soldaten gegeben hat. Bei dem Vergeltungsschlag starben insgesamt 14 italienische Zivilisten.

Scheungraber hat im Vorfeld der Verhandlung jede Beteiligung an dem Massaker bestritten, er habe davon nicht einmal gewusst. In seinem Schlusswort beklagte er sich, er habe viele Jahre seines Lebens "diesem Vaterland geopfert" und stehe nun mit fast 91 Jahren als Angeklagter vor Gericht.

"Menschenverachtende Tat"

Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert und argumentiert, es gebe kein schriftliches Dokument, das einen Befehl des Kompanieführers dokumentiere. Allein das Eingebundensein in eine Armee oder in eine Befehlskette könne nicht zu einem Schuldspruch führen.

Dagegen verlangte die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes - genau dieser Forderung kam das Münchner Landgericht nun nach. Die Staatsanwaltschaft stützte sich auf Dokumente wie die sogenannten Banden-Lagekarten, auf denen Vergeltungsaktionen gegen Partisanen vermerkt wurden. Die Anklagebehörde warf dem 90-Jährigen Mord aus niedrigen Beweggründen und Grausamkeit vor. Die Tat sei "menschenverachtend". Der Offizier habe an unschuldigen Zivilisten Rache für den Tod der Kameraden nehmen lassen.

Scheungrabers Anwalt Klaus Goebel kündigte unmittelbar nach dem Richterspruch Revision an. "Das ist ein skandalöses Urteil", sagte Goebel.

Urteil mit Beifall begrüßt

Für eine überraschende Wendung in dem fast ein Jahr dauernden Prozess hatte ein Zeuge gesorgt, der sich erst vor kurzem bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hatte: Der frühere Mitarbeiter in der Möbelschreinerei des Angeklagten hatte ausgesagt, dieser habe einmal mit seiner Beteiligung an dem Massaker angegeben. Der 90-Jährige hatte jahrzehntelang unbehelligt in seinem oberbayerischen Heimatort gelebt.

In Italien war Scheungraber 2006 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Als deutscher Staatsbürger wurde er zur Strafvollstreckung aber nicht ausgeliefert. Das Urteil im Landgericht München wurde mit Beifall aufgenommen. An der Urteilsverkündung nahmen auch Hinterbliebene der Opfer teil. (pb/wa/ap/dpa)