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Lehrjahre zwischen Kontinenten und Kulturen

Kersten Knipp15. Juli 2013

Unternehmerfamilien spielen in den Ökonomien des Nahen Osten eine herausragende Rolle. Ihr Erfolg kommt nicht von ungefähr: Der Nachwuchs wird systematisch ausgebildet - mit teils ungewöhnlichen Methoden.

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Der neue Container-Hafen Khalifa Port in Abu Dhabi, 1.9. 2012 (Foto: KARIM SAHIB/AFP/GettyImages)
Bild: KARIM SAHIB/AFP/GettyImages

Der junge Ali war ein wenig ratlos. Gerade war er mit dem Flugzeug aus dem saudischen Riad in Hongkong angekommen. Und da stand er nun. In der Tasche einen Reisepass, Businesskarten, ein wenig Geld - und einen 12 Kilo schweren Goldbarren. Den sollte er einem Geschäftspartner seiner Familie aushändigen. "Doch als ich ankam, wurde mir klar, dass man in Hongkong kein Hotel für mich gebucht hatte - und das während der weltweit größten Diamantenmesse." Also schlug er sich durch, besorgte sich selbst ein Zimmer und lieferte den Goldbarren dann wie vereinbart ab. Für einen 14-Jährigen, erinnert er sich, war das schon eine Leistung - und für seine Familie ein erhebliches Risiko. Denn Gold ließ sich damals, Mitte der 1990er Jahre, auch auf weniger riskante Weise transportieren.

Doch darauf kam es nicht an: "Es ging darum, mir Hindernisse in den Weg zu legen, damit ich lernte, sie aus dem Weg zu räumen. Das war Teil meiner Ausbildung", erinnert sich der Mittdreißiger im Gespräch mit der DW. Nach einem Studium an der King Saud University in Riad und einer Ausbildung bei der Investmentbank Merrill Lynch ist Ali Al-Othaim heute erfolgreicher Unternehmer und Vorsitzender des Nationalen Komitees junger Geschäftsleute von Saudi Arabien.

Der saudische Unternehmer Ali Al-Othaim (Foto:Ghorfa / El Sauaf)
"Saudi Arabien macht sich fit für die Globalisierung": Ali Al-OthaimBild: Ghorfa/El Sauaf

Und bis heute ist er dankbar dafür, einer saudischen Unternehmerfamilie zu entstammen. "Diese Art der Unternehmen bieten jungen Menschen ganz andere Möglichkeiten, Führungsqualitäten zu erwerben. Sie werden viel besser ausgebildet als diejenigen ihrer Altersgenossen, die nicht in solchen Familien aufwachsen."

Systematische Ausbildung

Arabische Familienunternehmen sind im Vergleich zu europäischen Dynastien recht jung. Zwar reichen Händlertraditionen über Jahrhunderte zurück, doch in den jüngeren Geschäftsfeldern - Banken, Energie, Mobilität - sind sie erst seit einigen Generationen unterwegs. Die ersten Unternehmen im modernen Sinn entstanden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, nach Ankunft der westlichen Kolonialisten. Entsprechend gering war zunächst der Erfahrungsschatz, auf den die Familien zurückblicken konnten, und den sie sich darum möglichst schnell aneignen mussten - und zwar durch die tägliche Praxis.

Um in einem globalen Markt zu bestehen, bilden arabische Unternehmerfamilien ihre Mitglieder konsequent aus. Die Mitgliedschaft bietet eine erleichterte Chance zum Einstieg - mehr aber nicht. In seiner Familie gebe es für den Nachwuchs strenge Regeln, erklärt Khalid Rashid Al Zayani, Ehrenvorsitzender der Al Zayani Investment Group aus Bahrain, im Gespräch mit der DW. "Wenn jüngere Familienmitglieder ins Unternehmen einsteigen wollen, werden sie zunächst in England oder den Vereinigten Staaten ausgebildet. Sie machen dort ihren Master, dann arbeiten sie in der Regel für zwei Jahre in einem dort tätigen Unternehmen. Erst dann kehren sie nach Bahrain zurück."

Einfühlungsvermögen und Disziplin

So wird der Nachwuchs fit gemacht - sowohl im Hinblick auf die fachliche Ausbildung wie auch im Hinblick auf die westliche Kultur. Die jungen Unternehmer sollen ein Gespür für das Weltbild ihrer künftigen Geschäftspartner entwickeln - und das geht nirgendwo besser als durch einen langen Aufenthalt vor Ort.

Und noch etwas, erklärt Al-Zayani, solle der Nachwuchs durch die Ausbildung entwickeln: eine angemessene Geschäftsethik. "Die jungen Leute werden auf ganz neue Art herausgefordert. Auf diese Weise werden sie nicht zu verzogenen Kindern einer reichen Familie. Stattdessen stellen wir sie vor Herausforderungen. Sie wissen, dass sie verantwortlich sind. So kommen sie von selbst ins Büro - denn sie wissen, es handelt sich um ihr Unternehmen."

Der Unternehmer Khalid Rashid Al Zayani aus Bahrain (Foto: Ghorfa / El Sauaf)
"Der Nachwuchs braucht Herausforderungen": Khalid Rashid Al ZayaniBild: Ghorfa/El Sauaf

Die Zeit nach dem Öl

Die Ausbildung fällt in eine Zeit, in der sich die arabischen Familienunternehmen vor immer größere Herausforderungen gestellt sehen. Zugleich sind sie für die Wirtschaft ihrer jeweiligen Heimatländer von größter Bedeutung: Jenseits des Öl- und Gassektors werden im arabischen Raum knapp 90 Prozent des Bruttosozialprodukts von Familienunternehmen erwirtschaftet. Außerdem schaffen sie in erheblichem Maße Arbeitsplätze und tragen dazu bei, neue Wirtschaftsfelder zu erschließen.

In einem Land wie Saudi-Arabien sei das von größter Bedeutung, erklärt Ali Al-Othaim. Denn das Ende des Öl-Booms sei absehbar, und darauf gelte es sich einzustellen. Die saudische Regierung sei dabei, neue Investitionsmöglichkeiten aufzutun. "Darum hat sie umfangreiche Ausbildungs- und Trainingsprogramme aufgelegt, die bis zu 25 Prozent des Staatshaushaltes umfassen. Mit ihrer Hilfe sollen die kommenden Generationen hohe Wettbewerbsfähigkeit erlangen, so dass sie die Herausforderungen der ökonomischen Globalisierung meistern können."

Chancen für deutsche Unternehmen

Entsprechende Kontakte knüpfen die Unternehmer darum weltweit. Und das, so Peter Brock von der Unternehmensberatung Ernst & Young, biete auch deutschen Unternehmen Chancen. "Es geht um die Industrialisierung der Golfstaaten. In diesem Zusammenhang liefern deutsche Unternehmen den Zugang zum Wachstumsmarkt, während es die arabischen Länder wegbringt vom Fokus auf das Öl und stattdessen die Industrialisierung langfristig sicherstellt. Die Familienunternehmen dort sind ja inzwischen schon sehr breit aufgestellt. Aber da ist sicher Potential, die Industrialisierung der arabischen Länder noch stärker zu fördern."

Peter Brock vom Beratungsunternehmen Ernst & Young (Foto: Ghorfa / El Sauaf)
"Deutsche Unternehmen liefern Zugänge zu Wachstumsmärkten": Peter BrockBild: Ghorfa/El Sauaf

Für das Wachstum ihrer Firmen greifen die Unternehmerfamilien nicht nur auf ihre Mitglieder zurück. Viele der leitenden Kräfte sind angestellte Manager. Auch die Kinder der Zayani-Familie müssen sich als Manager bewähren. Doch nach einigen Jahren steigen sie in den Aufsichtsrat des Unternehmens ein. Ihre Aufgabe dort: neue Geschäftsfelder zu erschließen. "Auf diese Weise expandieren wir. Jahr für Jahr entstehen so mindestens drei oder vier neue Sub-Unternehmen."

Die Interviews wurden am Rande des 16. Arabisch-Deutschen Wirtschaftsforums in Berlin geführt.