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Musik

Leipziger Bachfest eröffnet mit Pauken und Trompeten

Gaby Reucher
10. Juni 2017

Was hat Johann Sebastian Bach mit Martin Luther zu tun? Die Antwort liegt in der Musik. Luther war ein großer Musikliebhaber - und Bach liebte Luthers Texte. Beim Bachfest in Leipzig kommen die beiden zusammen.

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Thomanerchor singt beim Bachfest-Eröffnungskonzert 2017
Bild: Bachfest Leipzig/www.malzkornfoto.de

Den "Mendelssohn", den hätten die Thomaner Sängerknaben auch außerhalb der Proben schon die ganze Zeit  rauf und runter gepfiffen, sagt Gotthold Schwarz, seit einem Jahr Thomaskantor in Leipzig. Zum Eröffnungskonzert des Leipziger Bachfestes dirigierte er unter anderem Felix Mendelssohn Bartholdys Choralsinfonie Nr. 2 "Lobgesang". Ein Werk, das beim Thomanerchor beliebt ist.

Gotthold Schwarz
Thomaskantor Gotthold Schwarz Bild: Bach-Archiv Leipzig/Gert Mothes

"Mendelssohn hat sich ja ganz besonders an Bach orientiert und die Verbindung zwischen den beiden Komponisten ist ganz elementar spürbar", sagt Gotthold Schwarz. Dafür gab es tosenden Applaus von einem internationalen Publikum. Die Thomaner selbst waren erleichtert nach dem Konzert. "Das war toll", sagte einer der jüngeren Sänger. "Bei dem Mendelssohn, beim Walzertakt, da hätte ich am liebsten getanzt, aber das geht in der Kirche ja nicht."

Johann Sebastian Bach und die Musik der Reformation

Im Reformationsjahr 2017 hat das Leipziger Bachfest Musik aus der Reformationszeit in den Mittelpunkt des Festivals gestellt. Vom 9. bis zum 18. Juni finden rund 120 Veranstaltungen in Leipzig und Umgebung mit über 3000 Mitwirkenden statt. "Wir werden immer internationaler", freut sich der geschäftsführende Intendant Alexander Steinhilber. Mittlerweile hat das Bachfest nachweislich Gäste aus 41 Nationen. Von Übersee sind es vor allen Dingen US-Amerikaner und Japaner, die Bachs Musik in Leipzig hören wollen.

Bach-Denkmal vor der Thomaskirche in Leipzig
Bach-Denkmal vor der ThomaskircheBild: DW/G. Reucher

Eröffnet wird das Bachfest traditionell in der Leipziger Thomaskirche, wo der große Barockkomponist Johann Sebastian Bach von 1723 bis 1750 Thomaskantor war. Diesmal erklang zu Beginn eine Toccata von Bach. "Wir haben die F-Dur Toccata genommen, weil sie ein schmissiger Auftakt ist", erläutert der Dramaturg des Bachfestes Michael Maul. Statt der Fuge, die sonst üblicherweise folgen würde, hat er eine Orgelfassung des Lutherchorals "Wir glauben all an einen Gott" gesetzt. "Das ist natürlich auch eine Botschaft", sagt Maul. "Der Liedtext Luthers ist heute aktueller denn je, in Zeiten, in denen es Religionskriege gibt, wo wir furchtbare Attentate im Namen Allahs erleben. Der einfache Satz 'Wir glauben all an einen Gott' könnte das theoretisch befrieden und deshalb haben wir ihn erklingen lassen."

Martin Luther: Musikliebhaber und Pädagoge

Bekannt ist, dass Luther im 16. Jahrhundert die Bibel ins Deutsche übersetzte. Weniger bekannt ist wahrscheinlich, dass er ein großer Musikliebhaber war, der Laute spielte, und eigene Choräle geschrieben hat. "Die Bibel in Luthers Übersetzung ist, wenn man so will, das meistvertonte Libretto, das es gibt", meint Bachforscher Michael Maul.

Michael Maul
Michael Maul hat ein Buch über die Leipziger Thomasschule und ihre Kantoren geschriebenBild: DW/G. Reucher

Martin Luther war überzeugt, dass die Musik als göttliche Kunst die Worte der Bibel am besten transportieren könne. "Luther hat ja sehr darauf hingewirkt, dass die jungen Leute das Singen betreiben, um dadurch ihren Geist zu schärfen und die Texte besser zu begreifen und zu verinnerlichen", weiß Thomaskantor Gotthold Schwarz.

Deshalb hat der Reformator Martin Luther auch dafür gesorgt, dass in den Schulen in Sachsen vier Mal in der Woche Musikunterricht auf dem Stundenplan stand. "Das war die Basis für die große Erfolgsgeschichte mitteldeutscher Barockmusik", ist Michael Maul vom Bacharchiv Leipzig überzeugt und nennt bekannte Namen wie Heinrich Schütz, Georg Philipp Telemann oder Georg Friedrich Händel, die alle aus der Gegend stammen.

Bach mit Pauken und Trompeten

Johann Sebastian Bach hatte eine besondere Vorliebe für die Texte von Martin Luther. "Man hat den Eindruck, dass er sie förmlich inhaliert und mit einer gewaltigen Wirkung vertont hat," meint Michael Maul. Die wohl bekannteste Kantate "Ein feste Burg ist unser Gott", die beim Eröffnungskonzert mit Pauken und Trompeten erklang, hatte Bach ursprünglich aber nur für eine kleine Besetzung vorgesehen, nämlich ohne Pauken und Trompeten.

Das hat historische Gründe. Als der protestantische Kurfürst von Sachsen 1697 König von Polen werden wollte, musste er den katholischen Glauben annehmen. Die Reformationsfeste durften trotzdem weiterhin gefeiert werden, allerdings unter der Auflage, nicht über Katholiken zu spotten - und bei den Festmusiken keine prunkvollen Instrumente wie Trompeten, Posaunen und Pauken zu verwenden. Die hat Bachs Sohn Wilhelm Friedemann dann nachträglich in die Partitur eingebaut und dem Werk so zu einem volleren Klang verholfen.

Sir John Eliot Gardiner dirigiert Reformationsmusik

Sir John Eliot Gardiner beim Abschlusskonzert des Beethovenfestes 2016
Sir John Eliot Gardiner ist spezialisiert auf Alte MusikBild: Beethovenfest/Barbara Frommann

Seit Felix Mendelssohn Bartholdy im 19. Jahrhundert eine wahre Bach-Renaissance ins Leben gerufen hat, gibt es in Leipzig Bachfeste. Bekannt ist Mendelssohns Reformationssymphonie, die der Dirigent und Präsident des Bach-Archivs, Sir John Eliot Gardiner, mit dem Gewandhausorchester und seinem Monteverdi Choir aufführen wird. Ebenso wird Gardiner Reformationskantaten von Bach und Schütz präsentieren.

Wie in jedem Jahr gibt es ein buntes Rahmenprogramm mit Bach-Bearbeitungen von bekannten Künstlern aus Klassik und Jazz. Den Auftakt machte am Eröffnungsabend Open Air der US-amerikanische Organist Cameron Carpenter, der mit seiner eigens für ihn konstruierten Synthesizer-Orgel den Leipziger Marktplatz mit eigenwilligen Bachinterpretationen zum Beben brachte.

Alexander Steinhilber
Intendant Alexander Steinhilber hat große Pläne für 2018Bild: DW/G. Reucher

Aussicht auf das Bachfest 2018

Auch wenn das Bachfest gerade erst  begonnen hat, die Pläne für nächstes Jahr stehen schon fest. "Wir haben mit Sir John Eliot Gardiner die Idee gehabt, die besten Bachkantaten mit den besten Interpreten in einem Kantatenring aufzuführen", erläutert Alexander Steinhilber. An zwei Tagen werden in zehn Konzerten 30 Bachkantaten als "Kantatenring" aufgeführt. Damit knüpfen die Veranstalter an den großen Erfolg des Kantatentages im vergangenen Jahr und in diesem Jahr an. "Wir werden als Zyklus ein komplettes Kirchenjahr simulieren vom 1. Advent, bis zum 27. Sonntag nach Trinitatis." Ein Kantatenmarathon der Durchhaltevermögen erfordert. Doch besonders Besucher aus dem Ausland interessierten sich für diese kompakten Angebote, sagt Alexander Steinhilber. "Die Menschen kommen nach Leipzig, um Bach an den Original Spielstätten zu erleben und da darf es dann auch gerne mal ein bisschen mehr sein."