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Lernen auf die harte Tour

Oliver Samson3. Februar 2004

Seit fast zehn Jahren bemüht sich die Buschschule in Namibia darum, gestrauchelte deutsche Jugendliche zu resozialisieren - und ist nun selbst im Visier der Staatsanwaltschaft.

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"Vierschrötig": Farmer in NamibiaBild: AP

Das Leben auf den Farmen der ehemaligen deutschen Kolonie Namibia kann sehr hart sein. Es ist ein steter Kampf für Wasser, Energie, Nahrung und gegen die klimatischen Verhältnisse. Und genau diese Härte des Daseins macht die Farmen Namibias attraktiv - für die so genannte Erlebnis-Pädagogik.

Abenteuer Überleben

Seit knapp zehn Jahren werden Jugendliche, an denen in Deutschland schon alle zur Verfügung stehenden pädagogischen Maßnahmen gescheitert sind, auf staatliche Kosten in die "Buschschule Namibia" geschickt. Wobei der Name "Buschschule" eher irreführend ist: Die Jugendlichem im Alter zwischen 12 und 16 Jahren sollen bei ihrem im Schnitt zweieinhalbjährigen Aufenthalt zwar auch möglichst einen Schul-Abschluss machen, im wesentlichen gehen sie aber einzeln oder in Kleingruppen durch die Schule des afrikanischen Buschs: "Hier musst du was tun, um zu überleben", meint Projektgründer Helmuth Scharnowski. "Das hat wenig mit Abenteuer zu tun."

Vierschrötige Farmer und Problem-Jugendliche

Blume in der Namib Wueste, Namibia.
Wüste NamibBild: illuscope

Namibia findet der Sozialpädagoge Scharnowski hierfür aus mehreren Gründen ideal: Wegen des rauen Klimas und vor allem auch wegen der rauen Natur der deutschen oder deutschstämmigen Farmer. Konflikte sind vorprogrammiert - und auch gewollt. "Da prallt was aufeinander: Die vierschrötigen Farmer und die deutschen Großstadt-Kids", so Scharnowski. "Ganzheitlich und lebensnah" sei das Leben auf den Farmen, das Miteinander von besonderer "Gradlinigkeit und Klarheit" bestimmt - man kann es sich vorstellen.

Über 120 so genannte "Extremschulversager" durchliefen bisher unter pädagogischer Betreuung die harte Schule des Buschs - mit durchaus vorzeigbaren Ergebnissen, wie beteiligte Jugendämter bestätigen. Über "Persönlichkeitsentwicklungen, die wir nicht gesehen hätten, wenn die Jugendliche hier geblieben wären" konnte sich etwa Manfred Stankat vom Jugendamt Bad Segeberg bei einer Reihe von Buschschülern freuen.

Betrug und Missbrauch?

Momentan wird in Bad Segeberg aber davon abgesehen, weitere Problem-Jugendliche nach Namibia zu schicken - bis zur "Klärung der Vorwürfe", sagt Stankat und verweist auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Flensburg. Dort bestätigt Justiz-Sprecherin Ulrike Stahlmann-Liebelt Ermittlungsverfahren gegen Scharnowski wegen Abrechnungsbetrugs, gegen die Buschschulen-Geschäftsführerin Agatha Pillmanova wegen Missbrauch von Titeln und gegen namibische Gasteltern wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen.

Scharnowski fühlt sich als Opfer einer "Kampagne", deren Wurzeln er im Neid auf die Erfolge der Buschschule und der Rache einer ehemaligen Mitarbeiterin vermutet. In der deutschsprachigen "Allgemeinen Zeitung" aus der namibischen Hauptstadt Windhoek waren im letzten Jahr reichlich Berichte über Missstände und Straftaten aus dem Umfeld der Buschschule zu lesen: Es ging unter anderem um den Missbrauch eines vierjährigen Mädchens und die Vergewaltigung einer Schülerin durch Schüler, um Drogenmissbrauch, mangelhafte Betreuung von Schülern und Eltern, Falsch-Informationen über das kriminelle Vorleben der Schüler und schließlich auch um Abrechnungsbetrug.

Krise als Chance?

Scharnowski räumt eine Reihe von Vorkommnissen ein, besteht aber darauf, diese richtig einzuordnen. Die Schüler kämen schließlich ausschließlich "aus Krisen" und dann sei es wohl "normal, dass wir dann hier auch mal eine Krise haben." In der momentanen Krise seines Projektes sieht er aber auch eine Chance. Die Betreuung soll zukünftig noch weiter verbessert werden, gemischte Kleingruppen soll es auf den Farmen nicht mehr geben; und auch keine massiv straffällig gewordenen Jugendlichen wie etwa den inzwischen verurteilten Vergewaltiger, der vor seinem Busch-Aufenthalt schon 75 Straftaten begangen hatte.

Scharnowskis verweist aber auch darauf, dass die Ergebnisse der Buschschule nach wie vor gut seien. Zumindest sei die Kriminalitätsquote unter den Schülern über die Jahre gerechnet nach Scharnowskis Rechnung "unter einem Prozent" - und damit äußerst niedrig.