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Lernen will gelernt sein

Leona Frommelt23. Dezember 2004

Unter welchen Voraussetzungen lernen Kinder am besten? Fest steht: Sie können sehr früh komplexe Dinge lernen, wenn sie nur bunt und alltagsnah präsentiert werden. Denn Lernen hat mit Lust zu tun.

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Der Weg führt weg vom stupiden BüffelnBild: dpa zb

Wussten Sie, dass sowohl die Glühlampe als auch das Düngemittel von - angeblich - schulunfähigen Leuten erfunden wurden?

Der Lehrer von Thomas Alva Edison nannte ihn vor der ganzen Klasse einen Hohlkopf. Edison verließ den Klassenraum und ging nie wieder zurück zur Schule. Seine Mutter gab ihm Privatunterricht und schenkte ihm das naturwissenschaftliche Buch "Schule der Naturphilosophie": Edison war in seinem Element. Später erfand er unter anderem das Kohlemikrofon und die elektrische Glühlampe und baute in New York das erste Elektriziätswerk der Welt.

Den Eltern des Chemikers Justus von Liebig bescheinigte der Rektor, er sei die Plage aller Pädagogen. Der Vater nahm ihn von der Schule und ließ ihn eine Apothekerlehre machen. Als Justus den Dachstuhl des Apothekers in die Luft gesprengt hatte, kannte sein Interesse für Chemie keine Grenzen mehr: Er forschte mit Chloroform, Knallsäure, Azeton und der alkoholischen Gärung, ermittelte den Nährstoffbedarf der Pflanzen und erfand das Fleischextrakt.

Das Aha-Erlebnis

Die Liste der Genies, die keine guten Schulnoten hatten, ließe sich fortsetzen. Was diese Persönlichkeiten vielmehr dazu brachte, sich intensiv mit ihrem künftigen Wissensgebiet zu beschäftigen, war ein Aha-Erlebnis. Der Sprachpsychologe Karl Bühler definiert dieses Aha-Erlebnis als "ein eigenartiges im Denkverlauf auftretendes lustbetontes Erlebnis, das sich bei plötzlicher Einsicht in einen zuerst undurchsichtigen Zusammenhang einstellt."

Lernen fällt also leicht, wenn Kinder gerne lernen. Denn Lernen hat mit Lust zu tun. Wenn es gelingt, die Rahmenbedingungen des Lernens so zu gestalten, dass möglichst oft Aha-Erlebnisse ausgelöst werden, wird aus dem Lernen-Müssen ein Lernen-Wollen. Denn Erfolgserlebnisse erzeugen Motivation.

Lernmethode "Eselsbrücken"

Unterricht im Klassenzimmer Schüler
Kinder einer fünften Klasse der Helene-Lange-Schule in WiesbadenBild: AP

Je stärker die Motivation, desto besser die Lernleistung. Kinder bringen von Natur aus eine hohe Motivation, also Freude am Lernen mit. Leider wird diese Freude durch das Schulsystem oft getrübt. Wichtig ist es, sich mit Kindern darüber auseinander zu setzen, warum und wieso sie bestimmte Inhalte lernen sollen. Dieses grundlegende Verständnis erhöht die Lernbereitschaft und löst mögliche Blockaden. Und: Kindern kann die Angst vor Neuem genommen werden, wenn es in Vertrautes verpackt wird. Das mildert die Abwehr und das Gefühl des Widererkennens ist oft schon ein kleines Erfolgserlebnis.

Für die meisten Inhalte lassen sich Bezüge zur ganz alltäglichen und vertrauten Erlebniswelt herstellen. So vernetztes Wissen kann sich besser im Gehirn verankern. Lerninhalte, die nicht an bereits vorhandenes anknüpfen, fallen durchs Netz. Kinder können nicht einfach mit Daten gefüttert werden. Das Gedächtnis unterstützende Hilfen wie zum Beispiel künstlich geschaffene Assoziationen - so genannte "Eselsbrücken" - erhöhen die Merkleistung, weil sie Informationen in einer dem Gehirn ähnlichen Struktur aufbereiten.

Kinder müssen eine Struktur im Chaos finden - einen roten Faden, der sich logisch durch die folgenden Lernschritte zieht. Dies bewirkt, dass im Gehirn neue Informationen mit dem dazu passenden Bereich vernetzt werden können und einen Sinn ergeben.

Nichts macht erfolgreicher als der Erfolg

Aus neurobiologischer Sicht funktioniert die Abspeicherung von Informationen, also das Lernen, dann besonders gut, wenn dabei der hirninterne Belohnungsmechanismus anspringt. Jedes Gehirn belohnt sich durch die Ausschüttung "kick"auslösender Stoffe quasi selbst und fördert dadurch die Abspeicherung neuer Lerninhalte. Dieses Gefühl kennt jeder Sportler, der einen Wettkampf gewinnt, ebenso wie ein Schüler, der die entscheidende Mathearbeit geschafft hat.

Die Intensität des Ausschüttens der kickauslösenden Substanzen im Gehirn ist nach Überwinden von Problemen besonders groß. Dies erklärt, warum der Lerneffekt immer dann besonders nachhaltig ist, wenn wir etwas trotz großer Hürden und erst nach enormer Anstrenung geschafft haben. Dementsprechend führt ein ständiges "Aus-dem-Weg-Räumen" von Hürden, Widrigkeiten und Anstrengungen zu einer Verkümmerung des Belohnungsmechanismus. Das Belohnungssystem springt nicht an und es entsteht kaum Anstrengungsbereitschaft.

Fazit: Eine Lernsituation in Schule und Elternhaus ist dann optimal, hirngerecht und wirksam, wenn jeder Schüler eine positive Bilanz von verdienten Erfolgen und von überwundenen Misserfolgen erreicht. "Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man sich bei dieser Tätigkeit anstrengt und den Erfolg sofort sieht." Sagte Albert Einstein. Auch einer der berühmten Leute, die mit der Schule ihrer Zeit nicht viel am Hut hatten.