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Eine Frage der Sprache

30. Oktober 2008

Lettland räumt der Staatssprache Lettisch in vielen Bereichen den Vorrang ein. Doch strenge gesetzliche Regelungen greifen nicht überall. Russisch ist nach wie vor weit verbreitet.

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Viele Einwohner Rigas betrachten Russisch als ihre MutterspracheBild: picture-alliance/ dpa

Lettisch ist heute die einzige Staatssprache in Lettland. Während der Sowjetzeit war in der Lettischen SSR das Russische die dominierende Sprache. Es ging so weit, dass Menschen, die in Lettland in Geschäften, im Taxi oder im Restaurant Lettisch sprechen wollten, einfach nicht mehr verstanden wurden. Anfang der 90er Jahre sprach jeder siebte Einwohner der Republik kein Lettisch. Bis heute betrachten mehr als 60 Prozent der Einwohner Rigas Russisch als ihre Muttersprache. In der zweitgrößten Stadt Lettlands, in Daugavpils, sind es sogar 85 Prozent.

Nachdem Lettland im Mai 1990 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, wurde der Erhalt der nationalen Identität und damit der Sprache wieder wichtig und aktuell. Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, mit dem das Lettische zur einzigen Staatssprache erhoben wurde. Für Amtspersonen wurde festgelegt, dass sie die lettische Sprache unbedingt beherrschen mussten.

Sprachengesetz weiter verschärft

Um die Entwicklung der Staatssprache zu überwachen, wurde eine spezielle Kommission eingerichtet. Ihr gehören Philologen, Soziologen sowie Experten aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Bildung an. Darüber hinaus wacht eine spezielle Kontrollabteilung des Zentrums für Staatssprache über die Einhaltung des Sprachengesetzes.

Der Leiter dieser Abteilung, Antons Kursitis, und dessen 16 Inspektoren "patrouillieren" praktisch jeden Tag durch die Straßen der lettischen Hauptstadt. Kursitis geht auch die Marktstände ab und schaut genau auf Preisschilder und Plakate. In der Fußgängerunterführung am Hauptbahnhof in Riga interessiert er sich für die zum Verkauf ausliegenden Zeitungen. Vor einem Kiosk sagt er unzufrieden: "Die Werbung ist auf Lettisch, aber die meisten Zeitungen hier sind dennoch in russischer Sprache." Formal gibt es aber trotzdem nichts zu beanstanden.

Erst kürzlich wurden die Bestimmungen des Gesetzes über die Staatssprache verschärft. Jetzt gelten sie nicht nur für Staatseinrichtungen, sondern in bedeutendem Maße auch für den Privatsektor. Wenn Werbung oder Bekanntmachungen nur in Russisch gehalten sind, dann kann eine Geldstrafe in Höhe von 200 bis 400 Euro verhängt werden. Für Lettland, wo der Durchschnittslohn 600 Euro beträgt, ist dies eine hohe Summe. Im vergangenen Jahr stellten die Inspektoren 700 Verstöße gegen das Sprachengesetz fest. Ihren Angaben zufolge wurden 150 Geldstrafen verhängt.

Rigas Geschäftsleute verlangen Russisch

Die Maßnahmen greifen allerdings nicht überall. Zahlreiche ethnische Russen, die in Lettland leben, halten es nach wie vor nicht für notwendig, die Staatssprache des Landes zu erlernen. Dies führe, so Kursitis, zu einer sprachlichen Diskriminierung der lettischen Jugend. "Unsere Kinder können in Riga keinen Job finden, wenn sie nicht einigermaßen Russisch sprechen", sagte er. Nur wenige Schüler würden noch Russisch als Fremdsprache lernen, die meisten wählten Englisch oder Deutsch. Hinzu komme, dass viele Russischlehrer bereits in Rente gegangen seien und die Sprache kaum noch unterrichtet werde. "Aber leider verlangen bis heute die meisten privaten Firmen gute Russischkenntnisse, denn 60 Prozent der Kunden verstehen kein Lettisch", bedauert Kursitis.

Friederike Schulz, Maria Rogaljewa