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Letzte Vorstellung bei Kinowelt

27. November 2001

Dem angeschlagenen Kinowelt-Konzern droht nun endgültig die Pleite.

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Bei Kinowelt gehen wahrscheinlich bald die Lichter aus.

Das niederländische Bankhaus ABN Amro hat dem Münchner Medienunternehmen Kredite von mehr als 100 Millionen Mark gekündigt. Kinowelt ist nach eigenen Angaben nicht in der Lage, diesen Betrag bis zum 28. November aufzubringen. Wenn Kinowelt mit ABN Amro keine Einigung erzielt, muss das Unternehmen binnen 21 Tagen ein Insolvenzverfahren eröffnen. Kinowelt kämpft seit Monaten mit schweren Finanzproblemen. Die Firma schuldet 24 Instituten insgesamt rund 400 Millionen Euro. Die niederländische Bank ist dabei einer der größten Gläubiger.

Verluste größer als Umsatz

Das Medienunternehmen kritisierte die Kündigung der Kredite als wirtschaftlich sinnlos. Ein großer Teil der Kredite sei nicht abgesichert. Deshalb müssten die Banken bei dem drohenden Insolvenzverfahren damit rechnen, dass noch weniger für sie übrigbleibt. Die übrigen Gläubigerbanken wollen vorerst stillhalten und die weitere Entwicklung abwarten. "Wir stehen weiter mit unseren Krediten zur Verfügung," sagte ein Sprecher der BHF-Bank, die ebenfalls zu den Gläubigern bei Kinowelt zählt. Die Bank Sal. Oppenheim kündigte dagegen ihren Vertrag als "Designated Sponsor".

Kinowelt hat im ersten Halbjahr 2001 einschließlich Sonderbelastungen einen Verlust von 161,9 Millionen Euro verbucht, bei einem Umsatz von lediglich 118,6 Millionen. Schon im August hatten die Gläubiger gedroht, ihre Kredite einzufordern. Das Unternehmen will am 30. November seine Zahlen für das dritte Quartal vorlegen.

Horrorfilm für Investoren

Die Kinowelt hat 1984 als Filmverleih begonnen und entwickelte sich in der Folgezeit zu einer vielfältig agierenden Mediengruppe. Die Standbeine von Kinowelt sind Lizenzhandel, Filmverleih und "Home Entertainment". Die Sparte "Home Entertainment" vertreibt Videos und DVDs. Kinowelt Filmverleih vermarktet die Labels "Kinowelt", "Arthaus" und "Jugendfilm". Kerngeschäft ist der Einkauf und Verkauf von Spielfilmen und Serien. Das Unternehmen ging im Mai 1998 an die Börse.

Für die Investoren entwickelte sich die Story der Kinowelt zum Horrorfilm: Während die Aktie zu ihren besten Zeiten bei fast 90 Euro notierte, liegt sie seit Wochen im Penny-Stock-Bereich. Am 26. November verlor Kinowelt rund 30 Prozent und brach auch am 27. November im zweistelligen Bereich ein.

Kölmel gegen Kirch

Den letzten größeren Erfolg feierte Kinowelt mit dem Oscar-prämierten Film "Tiger & Dragon". Insbesondere die Filmkunst-Tochter "Arthouse" hatte für ihr Programm viel Lob erhalten; sie vertrieb Filme von Woody Allen, Jim Jarmusch, Pedro Almodóvar und Lars von Trier. Bei "Arthouse" gingen schon im August die Lichter aus. Grund: Die großen Privatsender kauften für ihre Free-TV-Programme keine Spielfilmware mehr ein und produzierten lieber billige Shows. Besonders kostspielig war für Kinowelt die Konfrontation mit Medienmogul Leo Kirch: Michael Kölmel, Gründer der Kinowelt, übernahm sich bei dem Versuch, den Rivalen zu überbieten. Kölmel trieb Kirch im Poker um die Bundesliga-Fernsehrechte Kirch in schwindelnde Preis-Höhen, zog sich dann aber zurück.

Teuer zu stehen kam Kölmel jedoch der Erwerb eines Filmpaketes von den Hollywood-Filmstudios Warner Brothers. Das Paket, unter anderem mit dem Spielfilmen "Matrix" und "E-Mail für dich", schnappte er Kirch für 300 Millionen Dollar weg – ein Betrag, der sich später nicht mehr hereinholen ließ. Den Rückzahlungsverpflichtungen konnte Kinowelt nicht nachkommen, so dass Warner nun ein Vetorecht gegen alle Geschäfte hat, von denen seine Filme betroffen sind.

Unterdessen weisen Analysten und Kenner der Filmbranche darauf hin, dass die Lizenzpreise für Filme in letzter Zeit überhöht waren, ohne dass der Markt entsprechende Gewinne abwerfen konnte. Für die nächsten Jahre rechnen sie mit einem Rückgang der Zelluloid-Flut. Die drohende Pleite von Kinowelt reiht sich in die Absturz-Serie von Medien-Unternehmen am Neuen Markt ein: Zuvor waren beispielsweise die Sunburst AG, EM TV und die Advanced Medien AG ins Schlingern geraten. (jf)