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Endgültiges Ende

Christoph Ricking29. November 2012

Anfang des Jahres meldete der Drogeriegigant Schlecker Insolvenz an. Für einen Tag war die Schlecker-Zentrale nun noch einmal ein Paradies für Schnäppchenjäger. Das Inventar des Konzerns wurde versteigert.

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Thueringen/ Folie klebt am Samstag (24.03.12) in der Innenstadt von Halle an der Saale in den Schaufenstern eines geschlossenen Ladenlokals der Drogeriemarktkette Schlecker. Rund 2.200 Schlecker-Filialen in ganz Deutschland haben am Samstag zum letzten Mal ihre Tueren geoeffnet. Nach der Insolvenz der Drogeriemarktkette erwartet damit nun unmittelbar 9.500 Angestellte aus den Geschaeften die Kuendigung. Weitere Mitarbeiter aus den Warenlagern werden dann im April ihren Job verlieren. Insgesamt werden rund 11.200 Stellen abgebaut. (zu dapd-Text) Foto: Jens Schlueter/dapd
Schlecker Insolvenz Pleite DrogerieBild: dapd

Noch immer erinnert ein Bild an der Wand an den ehemaligen Besitzer des einstigen Drogerieimperiums. Mit strengem Blick scheint Anton Schlecker auf die Szenerie unter sich zu schauen: Dutzende von Menschen drängen sich im Eingangsbereich einer der Lagerhallen von Schleckers Zentrallager in Ehingen bei Ulm. Sie alle hoffen auf ein Schnäppchen. Das Inventar der insolventen Firma kommt unter den Hammer.

Jeder, der mit bieten will, muss sich registrieren lassen. Dafür bekommt er eine Bieterkarte mit Nummer und eine Inventarliste. Und die ist lang, fast 1500 Positionen gibt es: Werkzeuge, Bohrmaschinen, Regale, Gabelstapler und PC’s – alles muss raus. Die größte Position ist die Komplettausstattung für mehrere Dutzend Drogeriemärkte. Sie füllt eine Halle so groß wie ein Fußballplatz. Insgesamt 4000 Meter Regale, Einkaufswagen, Kassentresen, alles ist dabei. 70 LKW-Ladungen umfasst die Position. Mindestens 60.000 Euro muss ein Käufer dafür hinblättern.

Der Drogeriekettenbesitzer Anton Schlecker, aufgenommen am 25.2.1999 Ulm. (Foto:dpa)
Knauseriger Unternehmer: Anton Schlecker sparte an Vielem, jedoch nicht am InventarBild: picture-alliance/dpa

Alles muss raus

Im Durchschnitt liegen die Ausgangspreise aber viel niedriger, meistens bei zehn bis fünfzig Euro, je nach Wert der Position. Das Geld geht an die Gläubiger, abzüglich einer Provision von 18 Prozent für den Versteigerer.

Die Summe, die bei der Versteigerung zusammenkommt, ist jedoch nur ein winziger Teil der Insolvenzmasse. Oberstes Ziel sei es, die Hallen leer zu bekommen, sagt der Sprecher des Insolvenzverwalters, Patrick Hacker. "Das sind Immobilien. Die ganzen Lager in Deutschland stehen zum Verkauf. Das Inventar muss vorher raus." Dass bei der Versteigerung noch Geld zusammenkomme, das dann der Insolvenzmasse zufließt, sei ein positiver Nebeneffekt, so Hacker.

Insolvenzversteigerung bei Schlecker (Foto: DW)
Größter Posten: Die Ausstattung für Dutzende Drogeriefilialen. Das Mindestgebot liegt bei 60.000 EuroBild: DW/ C. Ricking

An allem gespart, nur nicht am Inventar

Nicht zuletzt wegen seinem schlechten Image ging der Drogeriekonzern Schlecker pleite. Arbeitnehmerrechte wurden missachtet, die Löhne waren schlecht. Kunden beklagten sich über die ungemütlichen und engen Filialen. Eine ähnliche Atmosphäre herrscht auch im Zentrallager. Alles wirkt altmodisch und schmuddelig.

An den Bürotüren stehen noch die Namen der ehemaligen Mitarbeiter. Dort, wo vor einem Jahr noch gearbeitet wurde, testen nun hunderte Schnäppchenjäger ausgiebig Werkzeuge und Elektrogeräte. Funktioniert der Akkuschrauber noch? Wie viel Gewicht schafft der Wagenheber? An vielem hat der knauserige Anton Schlecker gespart, nicht jedoch am Inventar. Die meisten Werkzeuge und Geräte sind von namhaften Markenherstellern.

Auf Schnäppchenjagd

Stefan Walz begutachtet verschiedene Werkzeuge. Der 20-Jährige ist Junior-Chef eines Brandschutzunternehmens. "Für die Mitarbeiter brauchen wir Bohrmaschinen und sonstige Sachen, und darum steigern wir hier mit", erklärt Walz. Zehn Euro sind pro Bohrmaschine angesetzt. Bei der Versteigerung wird Walz ein Vielfaches zahlen müssen.

Noch eine Stunde bis zur Versteigerung. Vor einer kleinen Bühne, wo später der Versteigerer sitzen wird, stehen ein paar Dutzend einfache Partybänke. Die ersten Bieter nehmen Platz. Ein Cateringservice grillt Bratwürste und verkauft Flaschenbier, um die Kunden bei Laune zu halten. Schließlich wird die Veranstaltung bis zu acht Stunden dauern. Schwerstarbeit für Versteigerer Holger Haun. Für jede Position hat er etwa 20 Sekunden Zeit. "Es ist eine große Versteigerung, ohne Frage. Und es ist natürlich eine Versteigerung mit einem großen Namen im Hintergrund", sagt Haun, gibt sich aber ansonsten routiniert. "Von den Sachen her ist es Tagesgeschäft."

Insolvenzversteigerung bei Schlecker (Foto: DW)
Wer bietet mehr: Etwa 800 Bieter erhoffen sich auf der Insolvenzversteigerung des Schlecker-Konzerns ein SchnäppchenBild: DW/ C. Ricking

Wer bietet mehr?

Mit zwanzig Minuten Verspätung geht die Versteigerung los. Dann wird es hektisch. Versteigerer Haun nennt den Artikel, die Positionsnummer und den Ausgangspreis. Dann reißen die Bieter ihre Karten in die Höhe. "Für 10 Euro, Handhobel", ruft Haun mit seinem Hamburger Dialekt in die Halle. Wieder schnellen die weißen Bieterkarten in die Höhe. "Zehn zum Ersten... Zwanzig, dreißig, vierzig, zum Ersten, Zwoten und Dritten an die Zwo Eins Fünf." Mit einem Hammerschlag ist der Verkauf besiegelt. Der Bieter mit der Nummer 215 kann sich freuen. Ein Posten nach dem anderen wird abgearbeitet. Zwischendurch eine Durchsage: Ist ein Arzt anwesend? Offenbar ist jemand ohnmächtig geworden.

Stefan Walz bietet fleißig mit und bekommt immer wieder den Zuschlag. Innerhalb kürzester Zeit hat er zehn Teile ersteigert, darunter Bohrmaschinen, Akkuschrauber und Winkelschleifer. 50 bis 80 Euro hat er pro Teil bezahlt. Ein guter Preis, findet Walz. "Ich muss zufrieden sein, klar. Sonst hätte ich es ja nicht kaufen dürfen."

Und schon dreht sich Stefan Walz wieder in Richtung Versteigerer. Er hat noch Geld übrig und will weiterbieten. Zwanzig Werkzeuge will er am Ende mit nach Hause nehmen.