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"Wir sind ein besseres Volk geworden"

Gero Schließ27. August 2013

Der US-Politiker John Lewis gehörte 1963 zu den Rednern beim Marsch auf Washington - neben Martin Luther King. Im DW-Interview blickt er zurück, wie sich sein Land seither verändert hat.

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US-Politiker John Lewis (Foto: DW/Juliane Schiemenz)
Bild: DW/J. Schiemenz

DW: Congressman Lewis, wie fühlen Sie sich hier, an diesem Ort, 50 Jahre nach der berühmten Rede "I have a dream" von Martin Luther King?

John Lewis: Es fühlt sich sehr gut an, hier zu sein, ich bin überglücklich. Wir haben so viele Veränderungen in den letzten 50 Jahren gesehen. Das Land ist ein anderes, wir sind ein besseres Volk geworden. Die Schilder, die ich gesehen habe, als ich aufwuchs vor 50 Jahren, auf denen stand "Weiße hier warten" und "Schwarze hier warten" - diese Schilder sind verschwunden. Und sie werden nicht zurückkommen. Unsere Kinder und Enkel werden sie nur noch in Büchern, Museen und auf Videos sehen. Es ist beinahe unglaublich, dass heute, 50 Jahre später, ein Afroamerikaner Präsident der Vereinigten Staaten ist.

Was muss noch passieren?

Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wir wirklich eine multikulturelle und demokratische Gesellschaft erschaffen haben. Zu viele Menschen wurden zurück gelassen. Der Marsch vor 50 Jahren war ein Marsch für Arbeitsplätze und für Freiheit. Wir müssen weiter marschieren und Arbeitsplätze für die amerikanische Bevölkerung schaffen. Wir brauchen eine Reform der Einwanderungsgesetze. Viele Millionen Menschen in diesem Land leben im Schatten, sie sollen ans Licht kommen, ihnen muss eine Chance gegeben werden, vollwertige Bürger und Mitglieder einer demokratischen Gesellschaft zu sein.

US-Politiker John Lewis (Foto: DW/Juliane Schiemenz)
US-Politiker John Lewis im DW-Interview vor historischer StätteBild: DW/J. Schiemenz

Es gab eine hitzige Debatte über den Fall von Trevor Martin. Was ist noch zu tun, um Gleichheit vor dem Gesetz zu erreichen?

Wir müssen das Justizsystem reformieren und darauf achten, dass die Gerechtigkeit die Oberhand behält. Die Geschworenen vor Gericht sollten zum Beispiel häufiger aus Minderheiten stammen. Das Justizsystem muss fair sein und Gleichheit garantieren für alle Bürger dieses Landes. Im Fall von Trevon Martin ist es zu einem Fehlurteil gekommen. So etwas soll nie wieder in unserem Land passieren. Darauf hoffe ich und dafür bete ich.

Denken Sie, dass Afroamerikaner häufig im Alltag diskriminiert werden?

Ich denke, dass auch heute noch in Amerika systematisch bestimmte Teile der Bevölkerung, speziell die Afroamerikaner, diskriminiert werden. Es gibt Menschen und Kräfte, die wieder die alten Verhältnisse herstellen wollen. Aber das lassen wir nicht zu. Dafür haben wir schon zu viel erreicht - und wir machen weiter.

Was ist Ihr Traum für die nächsten 50 Jahre?

Mein Traum für die nächsten 50 Jahre ist, dass die Rasse, der ein Mensch angehört, keine Last mehr für ihn ist. Ich träume von einer Gemeinschaft, in der jeder Mensch respektiert und geachtet wird und eine Stimme hat.

Welchen Rat würden Sie Präsident Obama geben?

Er sollte das ganze Volk repräsentieren und für alle Menschen sprechen und eine Nation erschaffen, die im Frieden mit sich selbst ist und wo niemand unterdrückt wird aufgrund seiner Nationalität, Hautfarbe oder Sexualität.

John Lewis ist ein US-amerikanischer Politiker. Er war ein wichtiger Führer der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, Redner beim Marsch auf Washington 1963 und spielte eine Schlüsselrolle bei der Beendigung der Rassentrennung in den Vereinigten Staaten. Als Abgeordneter der Demokraten vertritt er seit 1987 den 5. Distrikt von Georgia im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten. 2008 setzte er sich für eine Nominierung Barack Obamas als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei im Jahr 2008 ein.

Das Interview führte Gero Schließ.