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"Lex Berlusconi" sorgt für Tumulte

(kap)11. Oktober 2002

Italiens Parlament verabschiedet ein Gesetz, das vor allem dem angeklagten Ministerpräsidenten Berlusconi nützt. Doch die linke Opposition ist für einen Regierungswechsel zu schwach.

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Für seine Interessen tut er einiges: Silvio BerlusconiBild: AP

"Ein hoher Preis ist bezahlt worden", kommentiert selbst die sonst zurückhaltende Zeitung "La Stampa". Tatsächlich hat Italiens Mitte-Rechts-Koalition im Abgeordnetenhaus am Donnerstagabend (10. Oktober 2002) ein Gesetz durchgepeitscht, das unabhängigen Beobachtern wie eine "Lex Berlusconi" erscheint. Das Gesetz wirkt maßgeschneidert, um den in Mailand wegen Richterbestechung angeklagten Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi in letzter Minute vor einer möglichen Verurteilung zu retten.

Bei der Abstimmung ging es dann auch hoch her im italienischen Parlament. Die Opposition stimmte aus Protest antifaschistische Partisanenlieder an, Abgeordnete der Regierungskoalition antworteten mit der Nationalhymne. Beide Seiten warfen sich drastische Schimpfwörter an den Kopf. Die Saaldiener hatten reichlich zu tun, um Schlimmeres zu verhindern. Nur eine Hauptperson war bei der Schlammschlacht nicht anwesend: Regierungschef Berlusconi.

Richterbestechung, Bilanzfälschung, schwarze Kassen

Bereits in ein paar Wochen dürfte in Mailand das Urteil gegen ihn gefällt werden, und die Aktien stehen für Berlusconi nicht günstig. Mehrmals haben seine Anwälte daraufhin die Richter als befangen bezeichnet. Bei einer Verlegung des Prozesses droht nach Ansicht von Experten, dass dieser wegen Verjährung eingestellt werden muss. Außer wegen Richterbestechung war der Politiker bereits wegen Bilanzfälschung und schwarzer Kassen angeklagt.

Eine solche hilfreiche Prozessverlegung wegen begründeten Verdachts der Befangenheit haben Berlusconis Abgeordnete jetzt per Gesetz ermöglicht. Dies gilt auch für bereits laufende Prozesse. Nun muss noch der Senat dem Entwurf zustimmen, in dem die Regierung Berlusconi ebenfalls die Mehrheit hat. "Eine Schande!" skandierte die Opposition. Dass Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi das Gesetz wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht unterzeichnet, ist für Berlusconis Gegner die letzte Hoffnung.

Berlusconi fühlt sich verfolgt

Der seit eineinhalb Jahren regierende Berlusconi sieht sich indes als Opfer einer Kampagne linksorientierter "roter" Richter. Selbst blieb der Staatschef aber auch nicht untätig: Der Multi-Milliardär und Medienunternehmer ließ das Erbschaftsrecht verändern, das Gesetz über Bilanzfälschung wurde aufgeweicht, die Überstellung von Gerichtsakten aus dem Ausland erschwert. Außerdem hat der Herr über drei private TV-Kanäle ein Gesetz durchgebracht, das ausdrücklich erlaubt, Unternehmen zu besitzen und Regierungsämter inne zu haben.

Doch Berlusconis wahre Stärke ist die Schwäche der Linken. Zwar macht die Opposition im Abgeordnetenhaus Spektakel, die Gewerkschaften haben für nächste Woche zum zweiten Mal zum Generalstreik aufgerufen, und fast im Wochenrhythmus gehen Hunderttausende Berlusconi-Kritiker in Rom oder Mailand auf die Straße. Doch über eine echte Strategie gegen die satte Berlusconi-Mehrheit verfügt die Linke nicht – nicht einmal über eine unangefochtene Figur an der Spitze.

Satire verboten

Berlusconi hat schon vor längerem deutlich gemacht, dass ihn selbst eine Verurteilung nicht aus dem Gleis werfen würde: "Wenn ich freigesprochen werde, hat die Linke keine Argumente mehr. Falls sie mich verurteilen, appelliere ich an das Land und verlange Neuwahlen." Und er habe keine Zweifel daran, die Wahlen zu gewinnen.

Der italienische öffentlich-rechtliche Fernsehsender RAI hat indessen eine Satire über Berlusconi und seine Medienmacht aus dem Programm genommen. RAI-Intendant Roberto Sacca habe sich über eine Folge des Satire-Mehrteilers "Blob" geärgert, heisst es in Zeitungsberichten. Daraufhin sei der dritte Teil nicht gesendet worden. Berlusconi kontrolliert als Ministerpräsident den Aufsichtsrat der RAI. Im Februar dieses Jahres hatte er das Gremium mit fünf ihm nahestehenden Politikern besetzt.