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"Wer am billigsten produziert, bekommt den Zuschlag"

Haiye Cao1. August 2013

Skandal um Apple-Zulieferer in China. Die Arbeitsbedingungen seien nach wie vor menschenunwürdig, meint der Geschäftsführer von China Labor Watch Li Qiang.

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Herr Li Qiang, Geschäftsführer der Organisation China Labor Watch mit Sitz in New York. (Foto: Li Qiang)
Bild: China Labor Watch

Deutsche Welle: Wegen Enthüllungen über schlechte Arbeitsbedingungen bei dem einst größten iPhone-Zulieferer Foxconn stand Apple letztes Jahr in der Kritik. Jetzt hat China Labor Watch festgestellt, dass die Situationen in den Fabriken von Pegatron noch schlimmer sind als bei Foxconn. In welcher Hinsicht?

Li Qiang: Die Praktiken beim Apple-Zulieferer Pegatron verstoßen nicht nur gegen die Richtlinien von Apple zum Schutz der Arbeitnehmer, sondern auch gegen das chinesische Arbeitsrecht. Insgesamt haben wir mehr als 30 Verstöße aufgelistet. Obwohl die Verletzung der Arbeitnehmerrechte in chinesischen Fabriken weit verbreitet ist, kann man sagen, dass die Arbeitsbedingungen bei Pegatron sogar noch unter den in der Elektrobranche üblichen Standards liegen.

Welche Verstöße werten Sie als besonders schwerwiegend?

Das chinesische Arbeitsrecht schreibt vor, dass ein Arbeiter in einem Monat nicht mehr als 36 Überstunden ableisten darf. Bei Pegatron ist eine Überstundenzahl von 100 Stunden im Monat die Regel. Dokumente über geleistete Überstunden werden manipuliert, um bei den Kontrollen durch Apple nicht aufzufallen. Pegatron setzt viele Leiharbeiter ein. Die Zahlen liegen weit über dem gesetzlich erlaubten Anteil. Für diese Arbeiter zahlt die Firma keine Sozial- und Rentenversicherung.

In der Probezeit werden die Personalausweise der Arbeiter eingezogen. Sie bekommen die Ausweise erst Wochen später zurück. Dadurch sind viele Arbeiter gezwungen, weiter zu arbeiten. Wer vorzeitig kündigt, bekommt weniger Lohn. Bei der Bewerbung herrscht rigorose Diskriminierung: Wer kleiner als ein Meter fünfzig oder älter als 35 ist, fällt durch. Muslime, Uiguren, Tibeter sowie Mitglieder einiger anderer ethnischer Minderheiten, werden ebenfalls abgelehnt.

Kann man in einer globalisierten Welt wirksam gegen die Ausbeutung der Arbeiter vorgehen?

Die Regierung und die Unternehmen können etwas unternehmen, sind aber nicht ernsthaft am Schutz der Arbeitnehmer interessiert. Die lokalen Behörden in China zahlen jeden Preis, um Investoren anzulocken. Sie nehmen die Verletzung der Arbeitnehmerrechte in Kauf. Schließlich stammen die meisten Beschäftigten in den Fabriken nicht aus der eigenen Provinz, sondern sind Wanderarbeiter aus dem Landesinneren, um die sich die Kader wenig scheren.

Und die Unternehmen wollen natürlich die Kosten drücken. Unter den Lieferanten herrscht große Konkurrenz - wer die Produkte am billigsten anbietet, bekommt den Zuschlag. Apple nennt vier Faktoren in seiner Wertschöpfungskette: Preis, Qualität, Schnelligkeit und soziale Verantwortung. In der Wirklichkeit dominieren die ersten drei Kriterien. Sie entscheiden, ob ein Lieferant den Auftrag bekommt.

Auf die Politik und auf die Konzerne kann man also nicht setzen. Wie steht es in China um die Selbstorganisation der Arbeiter?

In China existiert nur eine offizielle Gewerkschaft. Was deren Finanzierung betrifft, behält das Finanzamt die Beiträge der Mitglieder direkt ein. Das Geld kommt letztlich von den Betrieben und wird direkt an die Gewerkschaft weitergeleitet. Daher vertritt die Gewerkschaft nicht die Interessen der Arbeitnehmer, sondern die der Unternehmen. Die Arbeiter in China haben keine eigene Organisation, die für ihre Rechte kämpft. Die internationalen Konzerne müssen ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und angekündigte Standards umsetzen. Aber Apple ist weit davon entfernt, das umzusetzen.

Ist der öffentliche Druck auf Apple noch nicht groß genug?

Gegen den Druck der Öffentlichkeit leistet Apple Öffentlichkeitsarbeit. Es lohnt sich eher, ein bisschen in die Öffentlichkeitsarbeit zu investieren, als sich wirklich um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu kümmern. Außerdem wird die Empörung schnell abebben. Eine strengere Kontrolle ist unwahrscheinlich.

Li Qiang ist Geschäftsführer der in New York ansässigen Arbeitsrechtsorganisation China Labor Watch (CLW). Sie wirft Apple in ihrem jüngsten Bericht vor, dass der amerikanische Konzern mit dem taiwanesischen Zulieferer Pegatron zusammenarbeite, der massiv gegen das Arbeitsrecht verstoße.

Das Interview führte Haiye Cao.