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Libanesische Wahl ohne syrische Truppen

Peter Philipp29. Mai 2005

Die Libanesen wählen ein neues Parlament. Dabei sind erstmals seit 30 Jahren keine syrischen Soldaten im Land. War die Opposition im Kampf gegen die Besatzungsmacht noch geeint, droht sie jetzt auseinander zu fallen.

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Wichtige Rolle im Libanon:<br>Ex-General Michael AounBild: AP

Große Hoffnungen waren - und sind weiterhin - an die Parlamentswahlen geknüpft, die am Sonntag (29.5.2005) im Libanon beginnen und sich über mehrere Wochen hinziehen. Hoffnungen, die verstärkt wurden durch die allgemeine Euphorie über den syrischen Rückzug und die scheinbare Besinnung der Libanesen auf das Gemeinsame. Massendemonstrationen von Libanesen jeder politischen wie auch religiösen Couleur hatten nach der Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri im Februar den Eindruck erweckt, dass die Libanesen sich über alle Gräben hinweg zusammenfinden, um die Geschicke ihres Landes wieder selbst zu bestimmen.

Uneinige Opposition

Je näher der Wahlauftakt rückt, desto mehr wird dieser Eindruck freilich auch wieder in Frage gestellt: Die syrischen Truppen haben das Land zwar verlassen - ob der Geheimdienst weiterhin seine Leute im Land hat, ist unklar - aber die Libanesen sind offenbar nicht in der Lage, ihre zunächst gezeigte Einheit zu bewahren. So tritt die "Opposition" - wie sich die antisyrischen Gruppen nennen - nicht mehr geschlossen auf und sie beginnt, wieder in ihre alten Bestandteile auseinander zu fallen, die sich an den religiösen und ethnischen Trennungslinien des Landes orientieren.

Libanon Bombenanschlag ehemaliger Premierminister Rafik Hariri getötet
Auslöser für Ende der syrischen Besatzung: die Ermordung von Rafik HaririBild: AP

Einer der Hauptakteure des vermeintlich neuen Libanon ist der nach 14 Jahren aus dem Pariser Exil zurückgekehrte Ex-General Michael Aoun: Hatte er das Land unter syrischem Druck verlassen müssen, so fordert er jetzt seinen politischen Preis. Und der heißt: Maßgebliche Beteiligung an der "Opposition" oder aber Alleingang. Der Versuch, mit dem linken Drusenführer Walid Dschumblat eine gemeinsame Front auszuhandeln, schlug fehl: Dschumblat war nicht bereit, Aoun mit mehr als zwei Kandidaten zu beteiligen. Vergrätzt zog dieser sich zurück und schimpfte, so mancher der "Oppositions"-Führer sei vor kurzem noch Freund der Syrer gewesen. Nur er - Aoun - habe immer eine konsequente Linie verfolgt.

Merkwürdige Allianz

Heute tut er das allerdings nicht mehr. So hat er sich auch schon mit Vertretern der radikal-islamischen Hisbollah-Miliz getroffen, und es wird immer noch gemunkelt, beide könnten sich zu einem Zweckbündnis zusammenschließen. Das wäre allerdings sehr überraschend, denn die Hisbollah bekommt seine Rückendeckung weiterhin aus Syrien und - vor allem - dem Iran.

Die Christen feierten die Rückkehr Aouns, viele von ihnen hofften aber auch auf eine Amnestie für Samir Geagea, den Führer der christlichen "Forces Libanaises", der zu 15 Jahren Einzelhaft verurteilt ist, weil er in mehrere schwere Anschläge und die Ermordung des damaligen Ministerpräsidenten Raschid Karami verwickelt gewesen sei. Geagea sitzt weiterhin im Kerker des Beiruter Verteidigungsministeriums ein, empfing dort aber auch schon Aoun und andere Politiker; ob und wann er freigelassen wird, ist jedoch ungewiss.

Alte Konstellation

Syrische Truppen in Libanon auf dem Weg zur Grenze
Abgeschlossen: Syrische Truppen sind aus dem Libanon abgezogenBild: AP

Sollte auch Geagea zurückkehren in die politische Arena, dann komplettiert sich das historische Szenario des Libanon, weil dann die alten Gruppen wieder da sind, die bisher immer wieder verantwortlich waren für die Probleme des Landes. Neu ist einzig, dass Anhänger des ermordeten Rafik Hariri unter der Führung seines Sohnes Saadeddin weiterhin als gemeinsame Gruppe auftreten, an der Mitglieder der verschiedensten Bekenntnisse und Ethnien beteiligt sind.

Der harte Kern der maronitischen Christen hat allerdings kein ausgeprägtes Interesse, sich hieran zu beteiligen, weil man hierin einen weiteren Abbau der historischen - und heute unverändert beanspruchten - Vormachtstellung der Maroniten sehen würde. Schon allein das Wahlgesetz, das im Jahr 2000 unter syrischer Regie zustande kam, wird als anti-christlich betrachtet, weil es größere Wahlbezirke vorsieht, in denen die Christen oft in der Minderheit sind und deswegen kaum Chancen haben, gewählt zu werden.