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Libanon vor neuer Ära?

Peter Philipp, zzt. Beirut29. Mai 2005

Zum ersten Mal seit dem Abzug der syrischen Truppen wird im Libanon ein neues Parlament gewählt. In Beirut begann am Sonntag die erste von vier Wahl-Phasen. Die Wahl könnte eine historische Zäsur bringen.

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Optimismus bei den Anhängern von Saad HaririBild: AP

Der "Märtyrer", der am 14. Februar im Libanon einem Bombenanschlag zum Opfer fiel, ist allgegenwärtig. Der Ort des Anschlages ist weiterhin abgesperrt und so belassen, wie er vor drei Monaten aussah, damit der Berliner Staatsanwalt Detlev Mehlis im Auftrag der UN vor Ort nach den Hintermännern suchen kann. Das Bild des Ermordeten ist überall in Beirut zu sehen. Und für die "Opposition" unter Führung seines Sohnes steht fest, dass Syrien hinter dem Mord stand. Die Syrer haben unter internationalem Druck das Land verlassen und die Wahlen sollen nun der zweite Schritt in die wahre Unabhängigkeit sein.

Der alte Libanon

Libanon - Wahl
Ein Toter beherrschst die Wahl: der ermordete frühere Premierminister Rafik HaririBild: AP

In Ras Beirut, einem Stadtteil zwischen armselig und mondän, versucht ein 70-Jähriger mit Krückstock, ins Wahllokal zu gelangen. In der Hand einen der gedruckten Zettel mit drei Namen. Zwei sind durchgestrichen, er will nur für einen stimmen. Er ist sofort umringt von jungen Leuten, die ihm neue Namenzettel in die Hand drücken wollen und sich mit ihm zu streiten beginnen, wie er denn nur einen Kandidaten wählen könne.

Der Druck der Wahlhelfer ist groß, aber der Alte bleibt unbeirrt. Ein junger Mann, der für einen der wenigen Gegenkandidaten arbeitet, hat ein paar Jahre in Deutschland verbracht und er klagt, dass man gegen das Geld von Hariri kaum Chancen habe.

Die Leute um Hariri - aber ebenso die anderen größeren Gruppierungen repräsentieren den alten Libanon, mit seinen Clans, seinen religiösen, ethnischen und wirtschaftlichen Interessen, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Aufrechte Einzelgänger sind dagegen machtlos, selbst wenn ihre Anhänger Idealisten sind.

Neue Strukturen brauchen Zeit

Es fehlt nicht an Aufrechten, die die bisherige Struktur ändern wollen. Bei diesen Wahlen aber werden sie sich nicht durchsetzen können. Aber man müsse eben weiter kämpfen, meint entschlossen ein junger Mann im christlichen Stadtteil Ashrafieh, der mit seiner deutschen Frau Handzettel für einen laizistischen Libanon verteilt. Wie weit man davon entfernt ist, zeigt sich einige Ecken weiter, wo sich sogar christliche Gruppen gegenüberstehen und einander beschimpfen - die "Forces Libanaises" des wegen Mordes einsitzenden Samir Geagea und die Anhänger des aus dem Exil zurückgekehrten General Michel Aoun, der sich als eine Art De Gaulle des Libanon fühlt.