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Liberale spielen Maulwurf-Affäre herunter

3. Dezember 2010

Die FDP hat den Informanten identifiziert, der Details aus den Koalitionsverhandlungen an die US-Botschaft weitergeleitet hat. Es ist ausgerechnet der Büroleiter von Parteichef Westerwelle. Doch die Partei wiegelt ab.

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Guido Westerwelle (Foto: dapd)
Sein Büroleiter war'sBild: dapd

Tagelang hatte die Republik und vor allem die FDP selbst gerätselt, dann kam die Wahrheit ans Licht: Es war der Büroleiter von Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle, Helmut Metzner, der Interna aus den Koalitionsverhandlungen an die US-Botschaft in Deutschland weitergegeben hat. Parteisprecher Wulf Oehme teilte umgehend nach Bekanntwerden mit, der 42-Jährige sei im gegenseitigen Einvernehmen von dieser Funktion entbunden worden.

Nun ist die Partei um Deeskalation bemüht: Der Mitarbeiter habe lediglich Informationen weitergegeben, die der Öffentlichkeit schon bekannt seien, sagte Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) am Freitag (03.12.2010) im Zweiten Deutschen Fernsehen. "Er hat zum Beispiel verraten, dass wir für den Abzug der letzten amerikanischen Atomwaffen sind - das stimmt, das sind wir. Steht übrigens auch im Wahlprogramm."

Dass Metzner von seinem Posten entbunden wurde, begründete Niebel so: "Vielleicht wollte man so die Pressekampagne beenden und einen verdienten Mitarbeiter schützen und aus dem Fokus der öffentlichen Berichterstattung herausnehmen", sagte er. "Schließlich ist er mit solchen Dingen nicht so vertraut wie wir Politiker."

"Nicht rechtlich angreifbar"

Spiegel titel Wikileaks (Foto: dpa)
Die Enthüllungen führten zu hitzigen DiskussionenBild: picture-alliance/dpa

Auch Parteisprecher Oehme nahm Metzner gegen den Vorwurf der Spionage in Schutz. Er habe nur über frei zugängliche Auskünfte erteilt. Vertrauliche Dokumente seien nicht übergeben oder zur Einsicht gewährt worden. Oehmes Fazit: "Für ein rechtlich angreifbares Verhalten gibt es keinerlei Anhaltspunkte."

Das Internetportal Wikileaks hatte am Sonntag aus geheimen Depeschen von US-Botschafter Philip Murphy an Washington mit Einzelheiten aus den Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU im Herbst 2009 berichtet. Als Quelle hatte der Botschafter einen "jungen, aufstrebenden Parteigänger" der FDP angegeben. Westerwelle hatte die Existenz eines Informanten anfangs vehement bestritten. Nachdem aber innerhalb der Partei der Unmut und die gegenseitigen Verdächtigungen zugenommen hatten, kündigte er an, mit allen in Frage kommenden Mitarbeitern Gespräche führen zu wollen.

Der Vorgang schadet Westerwelle

An die US-Botschaft wurden nicht nur die Grundlinien der Koalitionsgespräche weitergegeben. Der bei den Verhandlungen als Protokollant eingesetzte FDP-Mitarbeiter soll den Wikileaks-Veröffentlichungen zufolge mit zahlreichen internen Papieren, Teilnehmerlisten, Zeitplänen und handschriftlichen Notizen persönlich bei den Amerikanern vorgesprochen haben. Dabei kamen auch zahlreiche Konflikte zwischen den künftigen Regierungspartnern zur Sprache.

Vor allem für Westerwelle ist die Enttarnung einer engen Vertrauensperson ein Rückschlag. Der Parteivorsitzende war gerade dabei, die FDP vor den wichtigen Landtagswahlen im nächsten Jahr zu stabilisieren. Als Reaktion auf den massiven Einbruch in den Umfragen ist er seit dem Sommer bemüht, sich aus tagesaktuellen Debatten herauszuhalten und sich auf sein Amt als Außenminister zu konzentrieren. Wenig schmeichelhaft sind für Westerwelle nicht zuletzt die Bewertungen Murphys über seine Person. So wird der Liberale vom US-Botschafter als ideenlos, reizbar und überschäumende Persönlichkeit mit großem Geltungsdrang beschrieben.

Autor: Martin Muno (dpa, rtr, dapd)

Redaktion: Dirk Eckert