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"Libertadores" in Madrid - Spanien und die Unabhängigkeit Lateinamerikas

8. März 2010

Durch die Unabhängigkeit Lateinamerikas hatte das einst weltumspannende spanische Kolonialreich einen Großteil seiner Macht verloren. Um so erstaunlicher, dass man in Spanien sehr gelassen mit dem "Bicentenario" umgeht.

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Simón Bolivar im Parque del Oeste in MadridBild: Hans Kellner

"Der Blick ist viel zu aggressiv. Ich werde mich beschweren!" Mit gespielter Entrüstung rüttelt Miriam Sotelo aus Panama am Kragen des Mantels ihres spanischen Freundes Pedro de Miguel. Gemeinsam stehen sie vor dem Reiterstandbild von Simón Bolivar im Madrider Parque del Oeste, der mit seiner Hand ernst in die Ferne weist. "Ohne ihn wäre die Geschichte der Menschheit unvollständig", steht unter dem Denkmal ein Satz des spanischen Philosophen Miguel de Unamuno über den großen Befreier Lateinamerikas.

Im Parque del Oeste wirkt der Umgang der Spanier mit der Befreiung Lateinamerikas erstaunlich unkompliziert. An den "Libertadores" zerbrach doch ihr Imperium, "in dem die Sonne niemals untergeht", wie König Philipp II. einst gesagt haben soll. Hier wurde doch eine grausame Herrschaft beendet, die der Spanier.

200 Jahre Unabhängigkeit Lateinamerika
José de San MartínBild: Hans Kellner

Mit diesen Erwartungen betritt zumindest ein Ausländer den Park, der mit seinen Denkmälern die Befreier Lateinamerikas ehrt. Nicht weniger heldenhaft entschlossen als Bolívar wirkt José de San Martín, eine weitere Schlüsselfigur der lateinamerikanischen Befreiungsbewegungen des frühen 18. Jahrhunderts. Den Eindruck eines Intellektuellen hinterlässt hingegen das Denkmal von Andrés de Santa Cruz, einer der militärischen Führer im Unabhängigkeitskrieg Perus und einer der ersten Staatspräsidenten Boliviens.

Gemeinsame Geschichte

"Das ist auch ein Teil unserer Geschichte", kommentiert Juan Romero de Terreros die zahlreichen Denkmäler an die Befreier. Er ist Sonderbotschafter der spanischen Regierung für die Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag der lateinamerikanischen Unabhängigkeit. Schließlich seien viele der Befreier Lateinamerikas Spanier gewesen, hätten sogar oft in der königlichen Armee gedient.

Tatsächlich waren viele "Libertadores" auch Protagonisten der spanischen Unabhängigkeitskämpfe. Denn als Lateinamerika gegen die spanisch-königlichen Truppen kämpfte, versuchten die Spanier, ihr Land von Napoleon zu befreien, erklärt der Botschafter. So war José de San Martín 1807 zunächst am Sieg der Spanier gegen die Franzosen in der entscheidenden Schlacht von Bailén in Andalusien beteiligt, bevor er sich in Argentinien an die Befreiung Lateinamerikas machte.

200 Jahre Unabhängigkeit Lateinamerika
11. März 2009 in Madrid: Eröffnungsfeier für die lateinamerikanische UnabhängigkeitBild: Hans Kellner

Spanien hält sich mit Feiern zum "Bicentenario" bewusst zurück. "Es sind ihre Fiestas, nicht unsere", sagt Romero de Terreros. Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero erinnerte bei der Eröffnung der institutionellen Feiern am 11. März vergangenen Jahres daran, dass die Befreiung Lateinamerikas von der Herrschaft der spanischen Krone, die Befreiung Spaniens von Napoleon und die Ausarbeitung der ersten liberalen Verfassung Spaniens drei zeitgleiche Prozesse waren. Es seien die gleichen Werte gewesen, die zur Unabhängigkeit Lateinamerikas und 1812 zur sogenannten spanischen "Verfassung von Cádiz" geführt hätten, erklärte Zapatero.

Kampf um Bodenschätze dauert an

"Sie werden Euch bei lebendigem Leib verbrennen. Brüllt diesen Spaniern an den Kopf, was Euch einfällt!" Die spanische Regisseurin Icíar Bollaín gibt ihren Darstellern Anweisungen. Spanische Soldaten stehen mit brennenden Fackeln vor indigenen Männern, die auf Holzkreuzen auf Scheiterhaufen gefesselt sind. "También la lluvia" ("Auch der Regen") ist ein Film im Film, ein kritischer Rückblick auf die eigene spanische Geschichte, aber auch auf die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in Bolivien gegen den Einfluss internationaler Konzerne.

Proteste der Indios in Ecuador gegen das Freihandelsabkommen
Proteste gegen die Ausbeutung der Bodenschätze durch internationale KonzerneBild: AP

Bollaín hat für ihren fünften Film ein Drehbuch ihres schottischen Lebenspartners Paul Laverty gewählt, der bisher fast ausschließlich mit Ken Loach zusammengearbeitet hat. Der Film kommt im Sommer ins Kino und erzählt vom einstigen Kampf der Spanier um das Gold und dem heutigen Zugriff internationaler Konzerne auf die Bodenschätze und die Wasserversorgung Lateinamerikas. Die Filmemacherin hält damit ihren Landsleuten, die sich mit kritischen Betrachtungen der eigenen Geschichte immer noch schwer tun, einen Spiegel vor. Den Lateinamerikanern zeigt er jedoch, dass die Befreiung des Kontinents vor 200 Jahren begonnen hat, aber längst nicht abgeschlossen ist.

Autor: Hans-Günter Kellner

Redaktion: Oliver Pieper