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Baba Zula

Grit Friedrich26. Juni 2012

Bekannt wurde die türkische Band Baba Zula durch die Istanbuler Musikdokumentation "Crossing The Bridge". Sie ist ein Urgestein der Szene, aus ihrer Musik spricht ein rebellischer Geist und die Philosophie der Hippies.

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Albumcover Baba Zula
Bild: Alper Ertug

Levent Akman und Murat Ertel sitzen in einem Lokal im Stadtteil Beşiktaş unweit vom Fischmarkt und philosophieren bei einem Glas Biowein über ihr aktuelles Album. Es feiert den schillernden multikulturellen Sound von Istanbul. Mit Musik, die sich vor den Traditionen verneigt und trotzdem offen für neue Einflüsse ist. "Unsere Wurzeln sind uns wichtig", betont Levent Akman. "Es sind Wurzeln, die die Anhänger der Globalisierung abschneiden wollen. Aber Unterschiede sind gut, denn die Menschen und Kulturen sind nicht gleich und müssen sich auch nicht angleichen."

Filmmusik als Kultplatte

Vor mehr als fünfzehn Jahren haben die Baba Zula-Musiker ihren ersten Song für einen türkischen Spielfilm eingespielt. Der Soundtrack zu "Somersault in a coffin" (türkischer Originaltitel: "Tabutta Rövaşata") wurde zur Kultplatte und begründete einen neuen türkischen Stil: den Oriental Dub.  Damals war fast alles Improvisation; auf der Bühne und im Studio habe man nie gewusst, wohin die Reise gehe, erinnert sich Murat Ertel, der Mann an der Saz bei Baba Zula.

Aus dem lockeren Musikerkollektiv der Anfangsjahre ist heute ein eingeschworenes Trio geworden, das immer wieder Gastmusiker einlädt. Für die aktuellen Aufnahmen wurden zwei Titel mit dem Franzosen Titi Robin (Gitarre und Oud) aufgenommen; auch Dr. Das, der Bassist der Asian Dub Foundation, und das Berliner Duo Alcalica waren schon mit im Studio. Baba Zulas Mastermind Murat Ertel hat außerdem eine neue Sängerin gefunden: Elena Hristova aus Skopje in Mazedonien, dort bekannt mit der Band Baklava. "Weil das türkische Musikerbe so groß ist, konzentrieren sich die meisten Sänger bei uns nur auf ein Genre. Viele sind dem Westen gegenüber nicht offen ", sagt er. "Elena ist nicht so, darum sind wir glücklich, mit ihr zusammenzuarbeiten."

Murat Ertel von Baba Zula (Foto: Doublemoon Label)
Murat Ertel ist der Mann an der SazBild: Doublemoon

Zuhause im "Gecekondu"

Das aktuelle Baba Zula-Album heißt "Gecekondu". So nennt man illegal errichtete Siedlungen am Rande von Großstädten wie Istanbul oder Ankara. Diese wuchernden Slums, gebaut mit einfachsten Mitteln, sind Heimstatt für viele Neuankömmlinge, die ihr Glück in den urbanen Zentren suchen.

In den Gecekondus trifft man allerdings mehr Würde und Schönheit als in den protzigen Investorenvierteln, die in Istanbul derzeit auf den Trümmern legendärer Innenstadt-Quartiere entstehen. So wie im fast komplett abgerissenen "Sulukule" im Schatten der byzantinischen Stadtmauer, wo einmal viele Romamusiker lebten.

Die türkische Band Baba Zula (Foto: Alper Ertug/ essay recordings)
Baba Zula im Gecekondu: Hier schlägt das Herz IstanbulsBild: Alper Ertug

Die Band Baba Zula wendet sich immer wieder gegen die Gentrifizierung ganzer Stadtteile, denn der Musiker Murat Ertel beobachtet den Modernisierungsprozess in der Türkei durchaus kritisch: "Das neue Album erzählt  vom Leben in der Großstadt", sagt er. "Es ist eher persönliche Musik, die mit dieser Stadt zusammenhängt. Es geht um den Asphaltdschungel und um ein Haus, das in einer Stadt gebaut wird. Wir unterstützen dabei immer die, die nicht an der Macht sind."

Und nachdenklich ergänzt er: "Ich ziehe ja auch die Volksmusik der klassischen türkischen Musik vor. Denn Volksmusik war immer die Musik der Rebellion gegen den Sultan und gegen den Palast. Die türkische klassische Musik hat immer nur von der Liebe erzählt."

Wanderer zwischen den Zeiten

Die türkische Band Baba Zula ((Foto: Alper Ertug/ essay recordings))
Baba Zula im AsphaltdschungelBild: Alper Ertug

Auf "Gecekondu" wandert Baba Zula durch Zeiten und Kulturen. Denn auch in Istanbul kann man verschiedene Epochen erleben: den Straßenmusiker mit seiner Saz am Abend oder die in den Himmel wachsenden Bürotürme am Stadtrand. Bei Baba Zula mischen sich archaische Klänge und Clubmusik ganz organisch.

Dabei spielt Murat Ertel seine Saz elektrisch verstärkt und mit rebellischer Seele. Daneben gibt es jede Menge Percussion, Elektronik und vor allem eine ungebrochene Lust an psychedelischen Klängen. Hier kann ein Titel schon mal über zehn Minuten lang sein. Orientalisch und minimalistisch, so klingt Baba Zula im Jahr 2012.