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Likud gegen Koalition mit Arbeitspartei

Vladimir Müller19. August 2004

Auf dem Parteitag der regierenden Likud-Partei in Jerusalem wurde dem Plan von Ministerpräsident Scharon, mit der oppositionellen Arbeitspartei Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, eine Absage erteilt.

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"Bist Du dagegen, dass man mit der Arbeitspartei Koalitionsverhandlungen aufnimmt?" Oder: "Soll man alle zionistischen Parteien als mögliche Koalitionspartner betrachten?" - So lauteten die Fragen an die Delegierten. In Wirklichkeit aber ging es um Gaza: Um seinen Plan zu verwirklichen, die etwa 7500 israelischen Siedler samt Armee inmitten von 1,3 Millionen Palästinensern abzuziehen, braucht Premier Ariel Scharon einen neuen Koalitionspartner. Die bisherigen Parteien, die am unnachgiebigsten die Interessen der Siedler vertraten, sind ihm bereits davon gelaufen. Eigentlich kein Problem, denn die Arbeitspartei, vor allem ihr amtierender Vorsitzender Schimon Peres, würde schon gerne einspringen und den Rückzugsplan unterstützen.

Mehrheit gegen Scharon

Doch die Mehrheit des Likud will dies im Gegensatz zu ihrem Vorsitzenden Scharon nicht. In einer möglichen Koalition mit den Linken befürchtet sie nicht nur den Verlust an politischem Einfluss. Sie sieht schon eine grundsätzliche Erosion des Likud kommen, wenn der Verzicht auf Siedlungen politische Realität werden sollte. In der Tat: Als Siedler-Beschützerin stark geworden, könnte die Likud-Partei mit einem eventuellen Niedergang der Siedler-Bewegung in Gaza durch innere Kämpfe selbst entscheidend geschwächt werden. Um den Status quo in Gaza aufrechtzuerhalten, wurde nun eine Rebellion angezettelt und dem Vorsitzenden Scharon eine Abstimmung aufgezwungen.

Dieser kämpfte erbittert und verlor. Und zwar abermals gegen seine stärksten Widersacher - die eigenen Parteifreunde. Keinen Eindruck auf sie machte offensichtlich die Ankündigung, weitere 1001 Wohnungen für israelische Siedler im Westjordanland zu bauen. Vergeblich beschwor Scharon den Geist der Nationalen Einheit vor dem legendären Sechs-Tage-Krieg 1967. Ebenfalls erfolglos blieben seine Angriffe auf angebliche Intriganten innerhalb der Partei, die seine Regierungsarbeit torpedierten. Die Likud-Delegierten wollten auch nicht hören, das ein Votum gegen Scharon ein Votum für einen möglichen Regierungsverlust bedeutet.


Politik gegen eigene Partei

Denn obwohl die Abstimmung für den Ministerpräsidenten nicht bindend ist, wird Scharon kaum eine Politik gegen den Willen der eigenen Partei machen können. Ohne ihren Rückhalt und vor allem ohne eine Mehrheit im Parlament bleibt dem Ex-General nur der Ausweg, Neuwahlen auszuschreiben. Deren Ergebnis ist ungewiss: Die Mehrheit der Israelis wünscht sich Umfragen zufolge einen Rückzug aus Gaza. Den könnte sie mit Scharon haben - nicht aber mit seiner Partei.

Für den Friedensprozess im Nahost bedeutet Scharons Niederlage im eigenen Lager vor allem Stillstand. Der Wunsch nach einer Umsetzung des Rückzugsplans in einer neuen Koalition bleibt vorerst unerfüllt. Die Gefahr einer weiteren Eskalation des Konflikts mit den Palästinensern wächst. Es müssen nicht unbedingt Mega-Anschläge sein, wie sie der israelische Geheimdienst fürchtet. Der gegenwärtige Hungerstreik mehrerer Tausend palästinensischer Häftlinge in israelischen Gefängnissen birgt bereits neuen Sprengstoff für künftige Auseinandersetzungen.


Auch Arafat hielt Grundsatzrede

Nur einige Stunden vor Scharon hielt auch Palästinenser-Präsident Yasser Arafat eine "Grundsatzrede" in seinem Sitz in Ramallah, in der er Fehler und Korruption in der Autonomiebehörde einräumte. Ohne jedoch gleichzeitig konkrete Maßnahmen anzukündigen, wie er mit dem Chaos in den eigenen Reihen aufzuräumen gedenkt. Der "Ra'is" will seine Vollmachten nicht abgeben - trotz zunehmender, auch palästinensischer Kritik an seiner Amtsführung. Es ist schon eine Ironie des Schicksals, dass beide Hauptakteure des Nahostkonflikts sich nun in der gleichen Lage befinden - isoliert im eigenen Lager.