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Lissabon-Reformen

19. November 2009

Die EU soll einen ständigen Ratspräsidenten und einen Außenminister bekommen. Wie wird das die Zusammenarbeit der Institutionen verändern?

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Ein aufgeschlagenes Buch mit Unterschriften (Foto: AP)
Papier ist geduldig. Was verändert sich mit dem Vertrag wirklich in der Praxis?Bild: AP

Europa mehr Kontinuität geben und Gesichter, die man sich einprägen kann: Das ist eines der wichtigsten Ziele von Lissabon. Bisher haben sich die Mitgliedsstaaten jedes halbe Jahr mit dem Ratsvorsitz abgewechselt. Starke und schwache Regierungen, extrovertierte oder zurückhaltende Persönlichkeiten kamen und gingen in rascher Folge. Ergebnis war, dass oft nur Eingeweihte wussten, wer auf EU-Seite der Ansprechpartner nach außen war.

Zwar soll auch mit dem Lissabon-Vertrag die Rotation bei den Ministerräten bleiben. Aber an der Spitze des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs soll ein Präsident stehen, der zweieinhalb Jahre im Amt ist. Welche Fähigkeiten muss diese Person haben? Günter Gloser, ehemaliger Staatsminister im Auswärtigen Amt, meint, der Ratspräsident müsse vor allem zusammenführen können. "Er kann nicht nur für die Großen sprechen oder für die Kleinen, er muss die Ausgewogenheit haben."

Wer ist zuständig?

Vier Politiker stehen nebeneinander (Foto: AP)
Besuch von US-Außenministerin Hillary Clinton in Brüssel, 6. März 2009: Wer vertritt die EU?Bild: AP

In der Außenpolitik gab es bisher den Außenbeauftragten und den Außenkommissar. Beide Posten führt der Lissabon-Vertrag in der Person des Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik nun zusammen. Der Hohe Beauftragte ist gleichzeitig Vizepräsident der Kommission, gehört also dem Rat und der Kommission an. Außerdem leitet er die EU-Außenministerräte.

Günter Gloser sieht große Fortschritte gegenüber bisher, "denn es war in der Vergangenheit doch etwas bedenklich, als man sehr viele Gesichter, sehr viele Personen gesehen hat, wer alles für europäische Außenpolitik zuständig war. Wir werden viel mehr Synergieeffekte in einem ganz wichtigen Feld der Europäischen Union haben."

Gerangel in der Pressekonferenz

Flaggen vor dem EU-Parlament in Brüssel (Foto: European Parliament)
Das Europaparlament profitiert von LissabonBild: Photo European Parliament

Doch klärt Lissabon wirklich, wer die EU nach außen vertritt? Jacki Davis vom European Policy Centre, einer Brüsseler Denkfabrik, bezweifelt das. Sie glaubt, die Machtkämpfe würden sich nur verschieben. "Ich glaube, es wird eine gewisse Spannung zwischen allen dreien geben, dem Kommissionspräsidenten, dem Ratspräsidenten und dem Hohen Beauftragten für die Außenpolitik, weil alle bis zu einem gewissen Grade die EU auf der Weltbühne vertreten wollen."

Bei einem Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten werde es zum Beispiel ein Gerangel geben, wer von den dreien zusammen mit dem US-Präsidenten im Mittelpunkt der Abschluss-Pressekonferenz stehen werde.

Im Gegensatz zum Rat hatte die Kommission auch bisher schon eine Person für mehrere Jahre an der Spitze. Von daher glaubt Jacki Davis, dass der Rat durch Lissabon an Einfluss gewinnt. Denn mit dem ständigen Ratspräsidenten hätte er jetzt ein wirkliches Gegengewicht zum Kommissionspräsidenten.

Machtzuwachs für das Parlament

Porträt (Foto: AP)
Sein Job wird aufgewertet zum Hohen Beauftragten: Javier SolanaBild: AP

Der andere Gewinner von Lissabon sei das Europaparlament. "Denn mit der Ausweitung der Politikfelder, bei denen mit Mehrheit abgestimmt wird und Staaten ihr Veto verlieren, kann das Parlament in mehr Bereichen zusammen mit den Regierungen entscheiden." Bisher entscheidet das Parlament in rund zwei Dritteln der Politikbereiche mit, dazu gehört auch die Kontrolle des EU-Haushalts. Mit Lissabon sind es fast 100 Prozent. Dazu gehört jetzt auch die wichtige Landwirtschaftspolitik. Die Kommission müsse jetzt zusehen, so Jacki Davis, dass sie nicht zu viel an Boden verliere.

Wie gut die Lissabon-Regeln funktionieren, hängt aber nicht nur von den Institutionen ab, sondern auch von den konkreten Personen. Blockieren sie sich gegenseitig, oder bringen sie die EU gemeinsam nach vorn?

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn/Heidi Engels