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Energie-Link nach Europa

Monika Griebeler1. Juni 2014

Litauen ist eine der am stärksten wachsenden Volkswirtschaften der EU - und deshalb hungrig nach Strom. Bisher war das Land abhängig von russischen Importen. Das ändert sich gerade rasant.

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Strom Litauen
Bild: DW/M. Griebeler

Seit Anfang Mai wird gebaut in Alytus, einer kleinen Industriestadt im Süden Litauens. Der Fluss Nemunas fließt mitten hindurch, in den vergangenen Jahrhunderten gehörten die beiden Ufer oft zu unterschiedlichen Ländern. Und auch künftig teilen sich hier die Wege: Ein Ingenieur am Umspannwerk Alytus deutet in die Ferne, eine Stromleitung entlang. "Das ist die Trasse nach Weißrussland. Daneben entsteht 'LitPol Link', die Verbindung nach Polen", erklärt er.

Noch liegen die stählernen Masten wie gefallene Riesen in der grünen Landschaft, überragen Pusteblumen und Büsche meterweit. Doch in den nächsten Tagen werden sie aufgerichtet, werden in den Himmel ragen, der Beginn von etwas Großem: Über sie läuft die Anbindung Litauens an das europäische Stromnetz - 163 Kilometer Kabel bis hinein nach Polen.

"Schritt für Schritt werden wir so auch Teil einer Energie-Union", sagt Daivis Virbickas, Geschäftsführer des litauischen Netzbetreibers Litgrid. Fast schon symbolisch laufen beide Trassen wenige Kilometer lang parallel, um sich dann zu verzweigen: die eine, neue nach Südwesten, die andere - wie immer schon - nach Osten.

Wege von der "Energieinsel"

"Wir haben in Litauen aktuell doppelt so viele Stromtrassen, wie wir eigentlich brauchen", sagt Jurgis Vilemas, Energieexperte an der Universität Kaunas. "Das Problem ist nur: Bislang verbinden die uns überwiegend mit unseren östlichen Nachbarn, Russland und Weißrussland. Da gibt es die Befürchtung, dass sie uns einfach den Strom abschalten." Gut 70 Prozent der Elektrizität stammen aus Russland, bei den Gaslieferungen ist man sogar zu 100 Prozent auf den russischen Gazprom-Konzern angewiesen. Und dessen Preise für Litauen liegen deutlich über dem mitteleuropäischen Niveau.

Russische Erdgasleitungen

Auch deshalb schreitet das Land derzeit mit Riesenschritten voran, um sich aus dieser Abhängigkeit zu befreien. Parallel zu "LitPol Link" wird ab Mitte Juni an einer Unterseeverbindung für Strom von Litauen nach Schweden gearbeitet: "NordBalt", ein 580-Millionen-Euro-Projekt und das drittlängste Tiefseekabel der Welt. Zwar ist das litauische Stromnetz weiter Teil des russischen, doch die Synchronisation mit dem kontinentaleuropäischen Netz ist geplant.

In der Hafenstadt Klaipėda wird außerdem ein Flüssiggasterminal gebaut, der Ende des Jahres in Betrieb gehen soll. Und vor wenigen Tagen erst kaufte Litauen Anteile des deutschen Versorgers EON an inländischen Gasfirmen auf. Damit sind die Stimmrechtsanteile des Landes an den beiden Gasfirmen größer als die von Gazprom - das stärkt die litauische Position, wenn der Gaspreis verhandelt wird.

Manche Abhängigkeiten bestehen weiter

"Unabhängigkeit bedeutet: Die Möglichkeit für die Verbraucher, auszuwählen", sagt Netz-Chef Daivis Virbickas. "Und wenn wir zusätzlich zu der Ostverbindung noch diese Netzanschlüsse haben - nach Polen, nach Schweden und die bereits bestehende über Estland nach Finnland - dann bedeutet das auch mehr Energiesicherheit."

Nur importieren wird Litauen den Strom wohl auch künftig müssen. Jahrzehntelang produzierte Litauen günstigen Strom, sogar für das gesamte Baltikum und Weißrussland. Doch 2009 wurde das Atomkraftwerk Ignalina abgeschaltet, ausgerechnet auf Betreiben der Europäischen Union: Es war eine Bedingung für den EU-Beitritt Litauens. Zu unsicher sei das Kraftwerk vom Typ Tschernobyl.

Alternative Energien noch keine Alternative

Die Lücke hätte eigentlich schon längst durch ein neues AKW nahe der Stadt Visaginas geschlossen werden sollen. Doch 2012 lehnten die Bürger in einem Referendum diese Pläne ab. Die Entscheidung war für die Politik zwar nicht bindend und die Diskussionen auch mit den baltischen Nachbarregierungen gingen weiter, einen endgültigen Beschluss gibt es aber bis heute nicht. Ein Neubau sei allerdings eher unwahrscheinlich, sagt Vilemas: "Atomenergie ist nichts für kleine Staaten. So viel Geld für den Bau haben wir nicht und die EU gibt nichts dazu. Außerdem wären die Produktionskosten mindestens doppelt so hoch wie der Marktpreis."

Alternative Energien könnten eine Möglichkeit sein, sind aber noch nicht weit genug ausgebaut. Sie decken bislang etwa 20 Prozent des Energiebedarfs. Den Uni-Experten Jurgis Vilemas stört der Mangel an eigener Stromerzeugung nicht: "Solange die lokale Produktion so viel teurer ist, macht das eben keinen Sinn." Und die neuen Verbindungen böten beste Ergebnisse bei minimaler Investition - die Anbindung an Länder, zu denen Litauen gute politische Beziehungen unterhält. Ende 2015 sollen die neu gebauten Stromtrassen fertig sein.