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LKW-Maut: auf den Spuren Theoderichs

Michael Utz24. September 2003

Seit Jahren werden in Deutschland die Autobahngebühren für LKW diskutiert, jetzt soll sie nach diversen Verzögerungen erst zum 1. Oktober kommen. Ein Stichwort.

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Sie kommt spät, aber sie kommt: die LKW-MautBild: AP

Theoderich der Große, der König der Ostgoten, ist eine der großen Gestalten germanischer Heldendichtung und als Dietrich von Bern den Freunden der deutschen Heldensage bekannt. Theoderich, um das Jahr 453 geboren und 526 in Ravenna gestorben, war im richtigen Leben ein handfester Machtpolitiker, während dessen Regentschaft unter anderem die Goten bis an die Donau gelangten und dort mit den Bayern in Berührung kamen. Weshalb wir dies alles erwähnen? Weil es an der Donau zwischen Linz und Wien einen Ort gibt, der Mautern heißt. Dies wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn man nicht mit absoluter Sicherheit wüsste, dass da, wo heute Mautern liegt, sich im fünften Jahrhundert nach Christus eine gotische Zollstation befunden hatte.

Das altgotische Wort für Zoll soll so ähnlich wie "myto" geklungen haben. Es wandelte sich zu "muta" und schließlich zu "Maut". Maut bedeutet im ganz allgemeinen Sinn Abgabe. Interessant ist allerdings, was da im Lauf der Geschichte abgegeben werden musste und weshalb. Im nordgermanischen Sprachraum war "muta" so etwas wie Schadensersatzzahlung, auch Geschenk für irgendwelche Gefälligkeiten und so weiter. Ob diese "muta" in Form von Geld oder Waren, kostbaren Gewürzen, einem Grundstück, Gebäude oder Vieh entrichtet wurde, lag im Belieben derer, welche die Maut unter sich aushandelten.

Dank des Bayerischen Wörterbuchs von Johann Andreas Schmeller erfährt das Wort Maut 1829 eine engere Begriffsbestimmung: "Abgabe von Waaren und Gütern bey ihrem Übergang aus einem Landesgebiet in das andere." Mit anderen – moderneren – Worten: Beim Grenzübergang ist für bestimmte Waren und Güter eine Abgabe zu zahlen. Nun hieß jene Grenzabgabe spätestens seit der Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 nicht mehr Maut sondern "Zoll".

Maut von Zoll begrifflich zu unterscheiden, ist eigentlich müßig, denn wem von uns wäre es vor EU-Zeiten nicht völlig egal gewesen, ob das Geld, das wir an der Grenze für die zuviel eingeführten Weinflaschen und Zigaretten gezahlt haben – oder auch nicht – unter Zoll beziehungsweise Maut verbucht wurde. Allerdings wären wir bei der Frage "Haben Sie etwas zu vermauten?" zusammengezuckt. Neben Zoll hat sich aber das Wort Maut gehalten; ja es gibt sogar den Mautner. Das ist einer, der an der Mautstelle die Maut kassiert. Der Zöllner dagegen sitzt an der Zollstation, die in aller Regel identisch mit einer Grenzstation ist und kassiert dort den Zoll, falls man was zu verzollen hat. Und jetzt nähern wir uns den feinen, aber entscheidenden Unterschieden zwischen Zoll und Maut. Zoll ist nur zu zahlen, wenn man/frau etwas zu verzollen hat. Die Maut dagegen muss immer gezahlt werden; außerdem ist sie in aller Regel eine rein inländische Angelegenheit. Die klassische Maut ist die Brückenmaut. Wer keinen Umweg in Kauf nehmen will, muss für die Brückenbenutzung Maut bezahlen. Brückenmaut gibt es fast überall. Daneben gibt es mautpflichtige Wegestrecken. Wer jetzt einwendet, dass man auch Brückenzoll und Wegezoll sagen kann, hat völlig Recht. Das ist halt so und nicht erst seit heute wissen wir, dass die deutsche Sprache aus mannigfaltigen Gründen eine sehr schwierige ist.

Bezüglich Maut haben wir Deutschen Schreckliches vor uns. Nach Dosenpfand, Verpackungsordnung und Ladenschlussgesetz werden wir die Tragödie um die Einführung der "streckenabhängigen Autobahngebühr" - auch Maut geheißen - bis zum bitteren Ende oder unheilvollen Anfang, je nachdem, sehenden Auges miterleben müssen. Immerhin wird schon seit knapp zwei Jahrzehnten über die Einführung einer Maut diskutiert und jetzt kann der Mautbetrieb nicht pünktlich beginnen. Aber seien wir getrost: Dank Theoderich des Großen haben wir wenigstens das Wort seit langem sicher.

Allerdings wissen wir nicht, ob der Bundesverkehrsminister an den zu fernen Zeiten herrschenden Ostgotenkönig gedacht hat, als er von "greifbarer Zeit" gesprochen hat, in der die LKW-Maut in Deutschland dereinst kommen wird.