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Halbzeit-Bilanz Vancouver

20. Februar 2010

Nach einer Woche Olympia liegt die deutsche Manschaft nur auf Platz drei im Medaillenspiegel. Der anvisierte erste Rang ist in Gefahr. Eher durchwachsen ist auch die Bilanz der Winterspiel-Organisatoren.

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Die Olympischen Ringe in Vancouver bei Nacht (Foto: AP)
Die Olympischen RingeBild: AP
Eröffnungsfeier in Vancouver: Andre Lange führt das deutsche Olympiateam an. (Foto: AP)
Das deutsche OlympiateamBild: AP

Deutschland, die Wintersportnation Nummer eins, droht die olympische Vormacht auf Eis und Schnee in Vancouver zu verlieren. "Wir betreiben keine Medaillenzählerei, aber wir verändern auch unser Ziel nicht und wollen weiter einen ganz vorderen Platz", sagte der deutsche Chef de Mission Bernhard Schwank in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur kämpferisch. "Und wir sind auf dem richtigen Weg." Vor vier Jahren in Turin hatten die deutschen Athleten bis zur Halbzeit 16 Medaillen vorgelegt und am Ende 29 gewonnen. Bei den Vancouver-Spielen standen nach sieben Wettkampftagen und 38 der 86 Entscheidungen nur 13 Medaillen auf dem Erfolgskonto. Damit wird es für das deutsche Team ein eher schwerer Weg, die angestrebte Verteidigung der Spitzenposition von Turin zu erreichen und die USA als beste Medaillen-Sammler (20) noch zu verdrängen.

Die Förderung der deutschen Spitzensportler steht dennoch nicht zur Diskussion. Bei einem Besuch in Vancouver bekannte sich Bundesverteidigungsminister Guttenberg zur Unterstützung der Athleten. Bundeswehr, Bundespolizei und Zoll stellen rund 1000 Stellen für Spitzensportler zur Verfügung.

"Unsere Männer sind Spätzünder"

Auch Biathlet Michael Greis, der dreimalige Turin-Sieger, profitiert von dieser Förderung. In Vancouver aber stehen er und seine Teamkollegen noch im Schatten der Konkurrenz. "Sie sind mit Sicherheit nicht zufrieden. Ich hoffe aber, dass sie am Ende doch noch zu ihren Erfolgen kommen", sagte Missionsleiter Schwank. Überhaupt haben die Männer im deutschen Team noch einiges gut zu machen. Denn bisher galt vor allem "Frauen-Power": Neun der ersten 13 Medaillen holten Athletinnen, und im Paarlauf war noch Aljona Savschenko zur Hälfte beteiligt. "Unsere Männer haben es genauso drauf", meinte Biathletin Magdalena Neuner. "Sie sind halt Spätzünder."

Magdalena Neuner, Natalie Geisenberger und Tatjana Hüfner (v. l.) präsentieren ihre Medaillen (Foto: dpa)
Deutsche FrauenpowerBild: picture-alliance/dpa

Trotz mancher Enttäuschung ist der olympische Gesamteindruck, den die deutschen Sportler in Kanada hinterließen, positiv. "Die deutschen Athleten sind hier bisher sehr sympathisch aufgetreten", resümierte DOSB-Präsident Thomas Bach auch mit Blick auf die Winterspiele-Bewerbung von München für 2018. "Das hilft München. Sie strahlen trotz des Erfolgstrebens Freude und Freundlichkeit aus. Das kommt sehr gut an."

Schatten und Licht

Eine Frau mit Regenschirm vor den Olympischen Ringen in Vancouver (Foto: AP)
Nicht nur das Wetter machte ProblemeBild: AP

Durchwachsen fällt auch die Halbzeit-Bilanz der kanadischen Winterspiel-Macher aus. Während in Vancouver nach den ersten Heim-Goldmedaillen Party pur herrscht, gibt es für das Organisationskomitee VANOC täglich neue Hiobsbotschaften. Immer wieder müssen sich die Veranstalter verteidigen - auch wenn inzwischen das Wetter mitspielt. "Alles läuft gut", sagt VANOC-Chef John Furlong beinahe trotzig. "Die Stimmung ist euphorisch. Wir hatten Kleinigkeiten hier und da, um die wir uns kümmern mussten. Aber sieht man das Gesamtbild, haben die Athleten ein fantastisches Erlebnis." Lob erhalten die Organisatoren auch vom Internationalen Olympischen Komittee. "Wir sind sehr erfreut über den glatten Verlauf der Wettkämpfe", sagte IOC-Exekutiv-Direktor Gilbert Felli.

Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Es begann mit dem tödlichen Rodel-Unfall zum Auftakt der Spiele. Eine Woche später haben zahlreiche Stürze im Training für die Zweierbob-Rennen die Diskussion um die Sicherheit der Hochgeschwindigkeitsbahn in Whistler neu belebt. Der Maulkorb des Bob-Weltverbandes für Athleten und Trainer tat ein Übriges: Sie dürfen sich nicht über die Sicherheit der Bahn äußern.

Olympia der Pannen

Bobschlitten im Eiskanal von Whistler (Foto: AP)
Gefährlicher EiskanalBild: AP

Nach der Panne bei der sonst sehr stimmungsvollen Eröffnungsfeier mit dem olympischen Feuer folgten andere technische Probleme, darunter die streikenden Eismaschinen im Richmond Olympic Oval. Ärger gab es zudem mit der Startschranke im Biathlon. In den Bergen um Whistler plagten Wettersorgen und ein Transport-Chaos die Veranstalter. Während Nebel und Regen zu vielen Verschiebungen beim Auftakt der Alpin-Wettbewerbe führten, kündigten frustrierte, ortsunkundige Busfahrer gleich im Dutzend. Zuschauer wurden genervt im Regen stehengelassen, sie kamen nicht an die Wettkampforte.

Negative Schlagzeilen gab es auch, als bei den Snowboard-Wettbewerben 28.000 Eintrittskarten für ungültig erklärt wurden. Der vom Dauerregen aufgeweichte Untergrund im Stehplatz-Bereich war zu unsicher geworden. Und beinahe zum Dauerthema wurde in der ersten Woche die Verbannung des olympischen Feuers hinter einen hässlichen Maschendrahtzaun. Erst, nachdem die Organisatoren für eine bessere Sicht auf das Symbol sorgten, beruhigten sich die Gemüter.

Charme und Gastfreundschaft

Die Olympischen Ringe in Vancouver bei Nacht (Foto: AP)
Die Olympischen RingeBild: AP

Dabei schwärmen die Athleten von ihren Quartieren und von der überwältigenden Gastfreundschaft der Kanadier. Das Heer von Freiwilligen lässt sich an Hilfsbereitschaft und Charme nicht überbieten. Und die Stimmung auf den Straßen gilt als sensationell. Die Kanadier sind in Party-Laune und kaufen Olympia-Souvenirs "wie verrückt". Der Absatz hat die Erwartungen bereits um das Vierfache übertroffen. Uneinig sind sich die Medien über die Winterspiele 2010. Während der britische "Guardian" glaubt, dass Vancouver den Titel der "bisher schlechtesten Spiele" verdient hat, kam von der "New York Times" höchstes Lob. Die Zeitung hatte unter dem Titel "Du bist hinreißend, Baby" geschwärmt, Vancouver sei "Manhattan mit Bergen".

Autor: Arnulf Boettcher (dpa, sid)
Redaktion: Andreas Ziemons