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Lochkarten als Wahlkampfbremse

Daniel Wortmann19. September 2003

Ein Gericht in Kalifornien will die Neuwahlen zum Gouverneur verschieben. Für Amtsinhaber Gray Davis ein willkommener Zeitgewinn, für Actionheld Arnold Schwarzenegger vielleicht das Ende seiner politischen Ambitionen.

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Der kalifornische Traum: vom "Terminator" zum GouverneurBild: AP

Am 7. Oktober 2003 sollen die kalifornischen Bürger einen neuen Gouverneur wählen. Zuvor war der Demokrat Gray Davis wegen eines historischen Haushaltsdefizits und umstrittener Steuererhöhungen in Ungnade gefallen. In einem Volksentscheid bestimmten die Bürger die Ansetzung von Neuwahlen, zu denen sich nicht weniger als 135 Kandidaten aufstellen ließen.

Rückkehr der Lochkarten

Gouverneur Gray Davis in Kalifornien
Der amtierende Gouverneur: Demokrat Gray DavisBild: AP

Kurz vor dem Wahltermin hat nun eine von der amerikanischen Bürgerrechtsunion (ACLU) geführte Klage den Wahlkampf durcheinander gebracht. Dort erinnerte man sich offensichtlich an den letzten großen Wahlskandal der USA, der bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 das Land erschütterte. Zehntausende von Stimmen waren nicht gewertet worden, weil die Lochkarten in den veralteten Abstimmungsgeräten nicht richtig durchgestanzt waren. Monatelang diskutierte man über "pregnant holes", "chads" und "dimples", die Anzeichen für nur teilweise oder falsch gelochte Wahlzettel.

In Kalifornien wird diese Technik immer noch eingesetzt. Vor allem Wahlbezirke, in denen Minderheiten leben, sollen davon betroffen sein. Ein kalifornisches Gericht sah darin den Verfassungsgrundsatz der Gleichberechtigung verletzt und ordnete eine Verschiebung der Wahlen an. Besonders die Republikaner, die sich gute Chancen auf eine Übernahme der Regierungsverantwortung in der Hauptstadt Sacramento ausrechnen, beteiligten sich an einem landesweiten Aufschrei. Sogar der demokratische Wahlaufseher wetterte gegen die Entscheidung.

Abwahl könnte scheitern

Die Republikaner haben bereits Berufung eingelegt. Eine Verschiebung könnte sie hart treffen. Mit ihrem Kandidaten Arnold Schwarzenegger und dessen Biographie eines Bodybuilders und Hollywood-Stars dominieren sie zwar die Berichterstattung. Allerdings scheinen sich die Bürger ihrer Sache nicht mehr sicher zu sein. Nur noch etwa 50 Prozent der Kalifornier wollen tatsächlich für die Abwahl ihres Gouverneurs votieren. Zudem streiten sich gleich zwei aussichtsreiche republikanische Kandidaten um die Vorherrschaft in ihrer Partei. Woche für Woche gewinnt der republikanische Senator Tom McClintock an Zustimmung.

The Tonight Show - Schwarzenegger gibt bekannt das er als Gouverneur kandidiert
In der "Tonight Show" mit Jay Leno gibt Schwarzenegger seine Kandidatur bekanntBild: AP

Mit Filmzitaten und Klischees rund um seine Lebensgeschichte versucht der gebürtige Österreicher Schwarzenegger, dagegen zu halten. Seit kurzem wirbt er auch auf Spanisch und versucht, mit seiner Einwandererbiographie die verschiedenen Minderheiten für sich zu gewinnen. Dem amtierenden Gouverneur ruft er "Hasta la vista, baby" zu und verspricht, die derzeitige Regierung zu "terminieren". Vor den Neuwahlen sei er aufgeregt "wie ein kleines Hündchen", gab er in einer großen amerikanischen Talkshow zu Protokoll.

Show statt Inhalte

Die große Distanz zur Politik, die "Arnie" wieder betont, macht ihn indes auch angreifbar. Amtsinhaber Gray Davis musste sich schon dafür entschuldigen, nach einer Wahlkampfveranstaltung über Schwarzeneggers Akzent gewitzelt zu haben. Die in Amerika üblichen Radio- und Fernsehduelle der Kandidaten fanden bisher ohne ihn statt: Ein gefundenes Fressen für seine Gegner, die ihm ohnehin jegliche inhaltliche Kompetenz absprechen. Zugleich holen den Filmstar seine Jugendsünden ein. Zuletzt sorgte ein Interview von 1977 für Aufregung, in dem er offen von Gruppensex und Drogenkonsum geschwärmt hatte.

Während Schwarzenegger die Medien beherrscht, sprechen die Umfragen eine andere Sprache. Mit 25 und 18 Prozent Zustimmung nehmen sich die beiden republikanischen Kandidaten gegenseitig die Stimmen weg. Lachender Dritter ist der demokratische Vize-Gouverneur Cruz Bustamante. Mit 30 Prozent der Stimmen führt er derzeit das Rennen um die Davis-Nachfolge an.

Falls das Urteil des Gerichts standhält, könnten die Neuwahlen wohl erst im März 2004 stattfinden. Einmal mehr wird der Supreme Court als oberstes Gericht die Entscheidung in der Hand haben. Dabei steht nicht nur der Wahltermin zur Disposition, sondern auch das politische Schicksal Arnold Schwarzeneggers. Mit Filmzitaten allein wird er weitere fünf Monate amerikanischen Wahlkampfes kaum bestehen.