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Lockruf aus Moskau

Sergej Migitz4. Oktober 2002

Deutschland ist der größte Außenhandelspartner Russlands. Bei den Direktinvestitionen in Wirtschaftsunternehmen liegt deutsches Kapital bisher aber nur auf Platz fünf. Russland möchte das ändern.

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Das frostige Klima ist es nicht, das deutsches Geld von Russland fernhältBild: AP

Das Engagement mittelständischer deutscher Unternehmen steigt trotz theoretisch verlockender Gewinnperspektiven in Russland nicht wesentlich. Viele scheuen weiterhin die Risiken der Region. Das sei ein für die russische Wirtschaft sehr beunruhigendes Zeichen, meint der Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation, der frühere Regierungschef Ewgenij Primakow. Er will gezielt den Mittelstand in Russland fördern – und zwar mit Hilfe ausländischer Direktinvestitionen: "Es ist uns vollkommen klar, dass wir ohne kleine und mittlere Unternehmen schon bald am Tropf unserer natürlichen Ressourcen, Erdöl und Gas, hängen werden. Damit das nicht geschieht, möchten wir in erster Linie in den Mittelstand investieren. Dabei rechnen wir vor allem mit Unterstützung aus Deutschland."

Deutsche Skepsis

Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, wurde die Gesetzgebung drastisch vereinfacht und das Bankensystem Schritt für Schritt reformiert. Deutsche Unternehmer, die in Russland bereits Fuß gefasst haben, sehen die Bemühungen der russischen Seite allerdings mit viel Skepsis. Aus eigener Erfahrung wissen sie, dass viele Versprechungen der deutsch-russischen Wirtschaftszusammenarbeit nur auf dem Papier stehen. Udo Völker, Chef der Außenhandelsvertretung des Konzerns MAN-Ferrostaal in Moskau, nennt Beispiele: "Wir haben während des Besuches von Herrn Putin im Juli 2000 die so genannten Leuchtturmprojekte kreiert und in einer großer Zeremonie unterschrieben. Aber keines dieser Projekte leuchtet. Das ist in erster Linie eine Frage der Finanzierung. Die russische Regierung ist gehalten, möglichst keine Staatsgarantien mehr für Projekte zu geben. Bei diesen Projekten handelt es sich um Investitionen über 300 bis 400 Millionen Euro."

In russischen Finanzkreisen versteht man die Skepsis der deutschen Unternehmer nicht. Der Präsident der größten russischen Investitionsbank Sberbank, Andrej Kazmin, hält die Zurückhaltung auf deutscher Seite für grundlos und überholt. "Wir leben nicht mehr in der Sowjetunion. Eine Rückkehr zur sowjetischen Praxis der Gewährung von staatlichen Garantien für Wirtschaftsprojekte ist heute nicht mehr möglich. Alle Voraussetzungen für erfolgreiche Investitionen sind in Russland vorhanden. Russische Banken wie zum Beispiel die Sberbank sind heute sogar in der Lage, selbständig große Investitionsprojekte zu unterstützen."

Erfolgreiche Geschäfte

Tatsächlich gibt es inzwischen auch zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Geschäfte in Russland. Herbert Sommer aus Bielefeld ist mit seiner Fahrzeugbaufirma bereits seit 10 Jahren auf dem russischen Markt. Nach seiner Meinung sind Russlandgeschäfte auch für deutsche Mittelständler mittlerweile nicht mehr unberechenbar: "Ich kann nur bestätigen, dass sich die Verhältnisse in Russland in den letzten zwei bis drei Jahren wesentlich verbessert haben. Wir haben eigentlich kaum noch Probleme. Wir haben eine echte Rechtssicherheit, wir gewinnen Prozesse gegen das Finanzamt, wir bekommen auch Geld zurück. Und das in Russland. Ob das in Deutschland gelingt, ist noch eine Frage", so Sommer, der hinzufügt: "Wir sehen eine große Chance auch für die Mittelständler, wenn sie den Mut haben, diese Grenze zu überwinden. Nach wie vor haben wir jedoch Probleme mit dem Zoll, der sehr bürokratisch ist."

Insgesamt sei die Zeit jetzt auch für vorsichtige Mittelständler gekommen, in Russland zu investieren, meint Sommer. In Deutschland sei der Mittelstand von Förderern geradezu umzingelt. Jeder Politiker spreche davon, wie wichtig der Mittelstand ist. Sommer hofft nun, dass man auch in Russland nicht nur über dessen Bedeutung rede, sondern die Rahmenbedingungen für mittelständisches Engagement weiter und nachhaltig verbessere.