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Loja Dschirga Afghanistan

16. November 2011

Die große Ratsversammlung in Afghanistan berät über eine langfristige militärische Zusammenarbeit mit den USA. Die Dauerpräsenz von US-Truppen wäre manchen Nachbarländern ein Dorn im Auge.

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Hamid Karzai am Rednerpult (Foto: dapd)
Hamid Karzai eröffnete die "Große Ratsversammlung"Bild: dapd

Die "Loja Dschirga", die am Mittwoch (16.11.2011) in Kabul begonnen hat, ist die zehnte in der Geschichte Afghanistans. Die "große Ratsversammlung" wird immer dann ins Leben gerufen, wenn das Land vor bedeutenden Entscheidungen steht.

Ein Delegierter der Loja Dschirga (Foto: dapd)
Die Delegierten tagen zum Thema Kooperation mit den USABild: dapd

Bei der letzten Loja Dschirga vor rund zehn Jahren, im Juni 2002, wurde beschlossen, dass Afghanistan nach dem Sturz des Taliban-Regimes den Weg der Demokratie einschlagen sollte. Bei der aktuellen Loja Dschirga beraten die rund 2.300 Delegierten nur über einen einzigen Punkt, erklärt Helaludin Helal von der Loja-Dschirga-Kommission in Kabul: Soll Afghanistan mit den USA "ein Abkommen zur strategischen Partnerschaft" schließen oder nicht?

Langfristige US-Präsenz

US-Militärpräsenz auch nach 2014 möglich (Foto: AP)
US-Militärpräsenz auch nach 2014?Bild: AP

Details der sogenannten strategischen Partnerschaft sind bislang nicht bekannt gegeben worden. Ziel der USA ist laut informierten Kreisen, mehrere Militärbasen in Afghanistan einzurichten. Zurzeit sind rund 100.000 US-Soldaten in Afghanistan stationiert. Doch sie werden das Land in den nächsten Jahren verlassen, denn bis 2014 soll die internationale Schutztzruppe ISAF die Sicherheitsverantwortung komplett an die afghanischen Behörden abgegeben haben.

Die angestrebte Partnerschaft soll nun den USA ermöglichen, auch über dieses Abzugsdatum hinaus weiterhin militärisch im Land präsent zu sein. Die offizielle Begründung: Man wolle verhindern, dass Afghanistan wieder in die Hände von Taliban und Al-Kaida fällt.

Komplexe Interessenlage

Conrad Schetter, Südasien-Experte am Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn (Foto: privat)
Conrad Schetter, Südasien-Experte am Zentrum für Entwicklungsforschung in BonnBild: Conrad Schetter

Viele Nachbarn Afghanistans lehnen ein langfristiges Engagement der USA in Afghanistan ab, erklärt Südasien-Experte Conrad Schetter vom Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn: "Die Iraner fühlen sich von der amerikanischen Präsenz in Irak und Afghanistan in die Zange genommen. Und die Pakistanis, die eine eigene Atombombe haben, sind besorgt, dass die Amerikaner irgendwann militärisch in ihrem Land intervenieren könnten."

Auch Russland und China seien nicht daran interessiert, dass die USA an ihren Landesgrenzen Militärbasen unterhalten, so Schetter weiter. Die zum Teil zutiefst verfeindeten Nachbarn Afghanistans versuchen, ihren Einfluss in der Region Zentralasien zu stärken. Einer der Gründe: Sie wollen einen möglichst ungehinderten Zugang zur rohstoffreichen Region Zentralasiens und Afghanistans, vermutet der Südasien-Experte. Ein Vorhaben, das durch eine dauerhafte Präsenz der USA in Afghanistan sicherlich erschwert werde.

Delegierte unter Druck

Vor diesem Hintergrund kommt der Loja Dschirga in Kabul eine große Bedeutung zu. Schon seit Wochen versuchen verschiedene Lobbygruppen, die Delegierten zu beeinflussen, berichtet Hallaludin Helal von der Loja Dschirga-Kommission: "Einige Nachbarländer versuchen nun, um ihre Interessen durchzusetzen, auf die Mitglieder der Loja Dschirga Druck auszuüben. Ich hoffe, dass die afghanischen Delegierten sich im Interesse ihres Landes nicht beeinflussen lassen werden."

Delegierte der Loja Dschirga 2011 (Foto: dapd)
Es gilt, die verschiedenen Interessen zu bündelnBild: dapd

Helal betont, dass sich eine strategische Partnerschaft zwischen Afghanistan und den USA nicht gegen die Anrainerstaaten richtet. Derartige Beteuerungen scheinen die Gemüter der Regionalmächte jedoch nicht zu beruhigen. Ihre direkte und indirekte Aufforderung an Kabul lautet: "Kein Abkommen mit den USA".

Die afghanische Regierung werde, selbst wenn sie es wollte, keine andere Wahl haben, als sich eng an die USA zu binden, meint Südasien-Experte Konrad Schetter. "Der amerikanische Einfluss in Afghanistan ist enorm. Wenn die Amerikaner sagen, wir wollen unbedingt unsere Militärbasen in Afghanistan haben und zahlen dafür sehr viel, dann ist es eine Frage des Preises, wann die Afghanen einknicken. Denn das bitterarme Land hat gerade dieses Geld unbedingt nötig."

Kabul will die Partnerschaft

Eine strategische Partnerschaft mit den USA wird aber Afghanistan nicht die erhoffte Stabilität und den Wohlstand bringen – zumindest nicht kurzfristig. Experten gehen davon aus, dass die Gegner dieser Zusammenarbeit alles tun werden, um die eigenen Interessen am Hindukusch durchzusetzen. Die afghanische Regierung weiß um dieses Dilemma, doch sie scheint sich entschieden zu haben: Kabul lässt immer wieder verlauten, dass eine Partnerschaft mit den USA die Position Afghanistans in der Region langfristig stärken wird.

Autor: Ratbil Shamel
Redaktion: Ana Lehmann