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Mehr Atomkraft

Dirk Eckert8. März 2008

Großbritannien sucht Energiekonzerne, die neue Atomkraftwerke bauen. Auch deutsche Unternehmen sind interessiert. Dabei gibt es auf der Insel laut Umweltschützern völlig andere Möglichkeiten.

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Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in Großbritannien (Quelle: AP)
Das britische Wiederaufbereitungsanlage Sellafield. 1957 ereignete sich hier ein schwerer Unfall, bei dem das Umland radioaktiv verseucht wurdeBild: AP

Die britische Regierung treibt den Bau neuer Atomkraftwerke voran. Bis zum 3. April 2008 können sich interessierte Stromkonzerne melden, die auf der Insel Atommeiler bauen wollen. Die britische Behörde "Nuclear Decommissioning Authority" hat bis zu 18 mögliche Standorte im Angebot. 2017 soll das erste Kraftwerk fertig sein.

Greenpeace rechnet damit, dass bis zu zehn Reaktoren gebaut werden könnten. Die Umweltschützer lehnen die Pläne ab: Auch bei modernen Reaktoren seien Unfälle nicht ausgeschlossen. Greenpeace wirft der britischen Regierung vor, den Ausbau alternativer Energien nicht genug zu fördern. "Erneuerbare Energien könnten in Großbritannien mehr Strom erzeugen als alle Atomkraftwerke zusammen", sagt Greenpeace-Energieexperte Heinz Smital.

Tony Blair und Gordon Brown (Quelle: AP)
Wollen nicht auf Kernkraft verzichten: Tony Blair (l) und Gordon BrownBild: AP

Das strahlende Erbe des Tony Blair

Die Atompläne gehen noch auf die Regierung von Premierminister Tony Blair zurück. Im Juli 2006 hatte sie ein entsprechendes Strategiepapier vorgelegt. Wie viele neue Reaktoren gebaut werden sollen, wurde darin nicht festgelegt. Experten gingen aber seinerzeit von mindestens sechs aus. Die Kraftwerke sollten außerdem von privaten Energiekonzernen und ohne staatliche Subventionen errichtet werden.

Die britische Regierung rechtfertigt den Bau damit, ohne neue Atomkraftwerke die EU-Grenzwerte beim Kohlendioxidausstoß nicht einhalten zu können. Sorgen bereitet London auch, dass die Vorräte an Erdöl und Erdgas in der Nordsee zu neige gehen, während der Ölpreis weltweit steigt. Außerdem sollen die derzeit laufenden 19 Reaktoren bis zum Jahr 2035 vom Netz genommen werden, die 20 Prozent des britischen Energiebedarfs decken. Die neuen Reaktoren sollen diese Lücken füllen - und sogar mehr. "Ich wäre sehr enttäuscht, wenn der Anteil nicht deutlich über dem gegenwärtigen Niveau liegen würde ", sagte Wirtschaftsminister John Hutton der "Financial Times".

Ungenutzte Windenergie

Nach Einschätzung von Greenpeace hätte Großbritannien allerdings andere Möglichkeiten, seinen Energiebedarf zu decken. Das Potenzial gerade in der Windenergie sei sehr groß, sagt Greenpeace-Energieexperte Heinz Smital. So habe Großbritannien trotz seiner langen Küste in 2005 nur 2,9 Terrawattstunden aus Windkraft gewonnen, Deutschland dagegen 27,2. Im Jahr 2007 habe Deutschland dann - dank massiver Förderung - 86 Terrawattstunden "alternativ" erzeugt. "Großbritannien könnte mehr schaffen, weil es dort ein höheres Windkraftpotenzial gibt", ist Smital überzeugt.

Auf diese Weise ließe sich die Atomkraft ersetzen, sagt Smital, denn 2005 produzierten damals noch 23 Atomkraftwerke nur 82 Terrawattstunden. Leider fördere die britische Regierung Alternativenergien nicht genug: "Großbritannien hat keine sinnvollen Regelungen zur Förderung erneuerbarer Energien, deswegen liegt dort die ganze Branche brach."

Eon und RWE sind interessiert

Großbritannien steht mit seinen nuklearen Bauplänen nicht alleine in Europa. Bulgarien baut ein Atomkraftwerk in Belene an der Donau, das 2013 fertig sein soll. Auch Frankreich, Finnland und Rumänien planen neue Reaktoren.

Selbst in einem Land wie Deutschland, das keine neuen Atomkraftwerke bauen will, arbeiten Energiekonzerne am Ausbau der umstrittenen Technologie. So sind die deutschen Firmen RWE und Eon am Bau von Kernkraftwerken in Großbritannien interessiert. Eon will sich beteiligen. RWE hat angekündigt, die angebotenen Bauflächen zu prüfen. Das Deutsche Atomforum hat schon gefordert, den Atomausstieg in Deutschland zu überdenken: "Deutschland isoliert sich immer mehr mit seinem energiepolitischen Sonderweg."