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London hat begeistert

Andreas Sten-Ziemons13. August 2012

Die Bilanz von London 2012 fällt fast durchweg positiv aus. Verantwortlich dafür waren die Athleten, das faire Publikum und nicht zuletzt das unerwartet gute Wetter.

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Fans mit britischen Fahnen auf der Tribüne (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Das waren die besten Spiele aller Zeiten". Mit diesem Kompliment pflegte der ehemalige IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch die Gastgeber bei der Abschlussfeier zu loben. Ganz so weit wollte Samaranchs Nachfolger Jacques Rogge bei der Schlussfeier in London nicht gehen, aber er stellte den britischen Organisatoren, den Sportlern und dem Publikum dennoch ein hervorragendes Abschlusszeugnis aus. "Es waren fröhliche und wunderbare Spiele", bilanzierte der Belgier. "Ihr Vermächtnis wird sich auf vielerlei Weise zeigen. Das menschliche Vermächtnis wird alle Regionen dieser Welt erreichen. Es wird junge Menschen dazu inspirieren, ihre Träume zu verwirklichen." Schon einige Tage vor der Schlussfeier hatte sich Rogge beeindruckt gezeigt: "Das waren Athletenspiele, das olympische Dorf war fantastisch, die Sportstätten haben funktioniert und das Publikum war großartig. London hat die olympische Bewegung erfrischt."

Langstreckenläufer Mo Farah jubelt beim Zieldurchlauf (Foto: David J. Phillip/AP/dapd)
Der britische Doppel-Olympiasieger Mo Farah versetzte sein Land in FreudentaumelBild: dapd

In der Tat haben die Olympischen Spiele von London begeisternde Wettkämpfe gebracht mit großartigen Sportlern und herausragenden Leistungen, zu denen sie nicht selten das frenetische Publikum antrieb. Zwar wurde es beim Auftritt britischer Athleten immer noch ein wenig lauter und euphorischer, doch schafften es die Briten ganz im Sinne ihres vielbeschriebenen Sportsgeistes auch für die nicht-britischen Teilnehmer eine einzigartige Atmosphäre zu schaffen. "Man kann nur danke sagen", meinte der deutsche IOC-Vizepräsident Dr. Thomas Bach. "Danke Organisations-Chef Sebastian Coe, danke London, danke Großbritannien." Und ein Dank auch an den Wettergott, der im Großen und Ganzen für sommerliche Temperaturen sorgte und das sprichwörtlich schlechte Londoner Wetter für 16 Tage vertrieb.

Verständlich nur mit Regelbuch

Das Publikum war großartig, die Sportler ebenso – eine nicht immer einwandfreie und vorbildliche Figur haben dagegen einige der Kampfrichter in London abgegeben. Nachzuvollziehen war das teilweise nur noch, wenn man das offizielle Regelbuch zu Rate zog – teilweise aber auch gar nicht mehr. So verlor beispielsweise im Boxen ein Japaner einen Kampf, obwohl er seinen Gegner ganze sechsmal zu Boden geschlagen hatte. Nur eines von mehreren Fehlurteilen, die anschließend korrigiert werden mussten. Mehrere Ringrichter und ein Funktionär wurden nach Hause geschickt. Im Fechten geriet mehrfach der Videoschiedsrichter zum wichtigsten Mann. Athleten und Zuschauer warteten nicht selten minutenlang auf sein Urteil, das über Sieg oder Niederlage entschied – nachvollziehbar war es nicht immer.

Weniger dramatisch, sondern eher peinlich, waren die zwei Patzer in der Leichtathletik, bei denen zwei Deutsche, Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf und Hammerwerferin Betty Heidler, vorübergehend die Leidtragenden waren. Auch Thomas Bach hat in seiner Abschlussbilanz Kritik an den Kampfrichtern geübt. "Die Zahl der strittigen Entscheidungen war relativ hoch", monierte er. Allerdings zeigte der ehemalige Fechter auch Verständnis für die Situation der Kampfrichter: "Es kann damit zusammenhängen, dass alles immer schneller wird. Ich möchte heute in meinem Sport Fechten nicht mehr Schiedsrichter sein, weil dieser Sport so schnell und dynamisch geworden ist."

Die Triathletinnen Nicola Spirig und Lisa Norden laufen zeitgleich ins Ziel (Foto: REUTERS/Tim Wimborne)
Warum gab es hier nicht zweimal Gold? Das IOC verpasste eine ChanceBild: Reuters

Gänzlich mit Füßen getreten wurde der olympische Gedanke schließlich beim Triathlon der Frauen, als die spätere Olympiasiegerin Nicola Spirig aus der Schweiz und Lisa Norden aus Schweden nach 1,5 Kilometern Schwimmen, etwas mehr als 40 Kilometern auf dem Rad und 10 Kilometern Laufen zeitgleich das Zielband durchrissen. Wie einfach wäre es für die Offiziellen gewesen, beiden Athletinnen die verdiente Goldmedaille zu geben – hier wurde eine große olympische Chance verpasst.

Spanische Royals als Sicherheitsrisiko

Meistdiskutiertes Thema war vor den Spielen von London die Sicherheit. Nachdem man im Jahr 2005 den Zuschlag als Ausrichter der XXX. Sommerspiele bekommen hatte, erschütterten einen Tag später Bombenanschläge die britische Hauptstadt. Entsprechend waren die Sicherheitsvorkehrungen. Vielleicht auch deswegen verliefen die Spiele ohne jeden Zwischenfall. Vielmehr mutete die Gewissenhaftigkeit einiger Sicherheitsleute fast schon übertrieben an: Als Diskuswurf-Olympiasieger Robert Harting nach durchfeierter Nacht wieder ins olympische Dorf wollte, wurde er an der Pforte abgewiesen. Harting hatte beim Feiern seine Akkreditierung verloren. Damit war der Deutsche in bester Gesellschaft: Sogar der spanischen Königin Sophia, Prinz Felipe und Prinzessin Letizia wurde der Zutritt zum Athletenbereich verweigert, als sie ihrem Landsmann Nicolas Garcia Hemme zum Gewinn der Silbermedaille im Taekwondo gratulieren wollten – auch ihnen fehlte die richtige Akkreditierung.

Nur die Dummen werden erwischt

Als Erfolg verkauften die London-Organisatoren auch ihre Anti-Doping-Offensive. Es war die größte in der Geschichte Olympischer Spiele. Rund 5000 Tests wurden angekündigt – bislang hat das Olympische Komitee (IOC) acht Dopingfälle offiziell bestätigt. Zahlreiche weitere Athleten waren von ihren Landesverbänden unmittelbar vor oder während der Spiele ausgeschlossen worden. Ein "großer Fisch" ging den Doping-Jägern mit Kugelstoß-Olympiasiegerin Nadeschda Ostaptschuk ins Netz. Die Weißrussin muss ihre Goldmedaille zurückgeben.

Judoka Nicholas Delpopolo (Foto: dpa)
Judoka Nicholas Delpopolo hatte Hasch-Kekse gegessen und wurde erwischtBild: picture-alliance/dpa

Unterm Strich behält jedoch alles in allem die Aussage ihre Richtigkeit: Bei großen Wettkämpfen lassen sich nur die dummen Doper erwischen. Stattdessen muss die Zukunft zeigen, ob die Spiele von London saubere Spiele waren. Denn genau wie die Entwicklung neuer Dopingsubstanzen schreitet auch die Weiterentwicklung besserer und neuer Testmethoden voran. Acht Jahre lang dürfen die in London genommenen Proben eingefroren und Nachtests unterzogen werden – überraschend käme es daher nicht, wenn der eine oder andere weitere Medaillengewinner von London seine Plakette zwischen heute und 2020 doch wieder abgeben müsste.

Hohe Maßstäbe

Doch auch wenn die Ungewissheit letztendlich immer mitwirft, -springt oder -läuft, nach den Olympischen Sommerspielen von London überwiegen die positiven Bilder. Es mögen nicht die besten Spiele aller Zeiten gewesen sein – wie sollte man dies auch objektiv beurteilen können? Zumindest aber haben die Londoner die Messlatte für alle nachfolgenden Olympiaausrichter sehr hoch gelegt.