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Der Torwart mit dem dicken Fell

Stefan Nestler mit dpa, ZDF
26. Mai 2018

Der deutsche Torwart Loris Karius hat an diesem Samstag die Chance, mit dem FC Liverpool die Champions League zu gewinnen. Die britische Boulevardpresse müsste ihm dann Abbitte leisten.

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Fußball | Torwart FC Liverpool Loris Karius
Bild: picture-alliance/NurPhoto/G Maffia

Loris Karius hat sich ein dickes Fell zugelegt. "Es wird immer Gerede geben, das kann ich nicht ändern. Ich versuche, mein Spiel zu spielen", sagt der deutsche Torwart des FC Liverpool, der am Samstag nach Bodo Illgner und Marc-André ter Stegen als dritter deutscher Keeper bei einem ausländischen Verein Champions-League-Sieger werden kann. Die für ihre Häme bekannte britische Boulevard-Presse hat den 24-Jährigen seit langem auf dem Kieker. Wenn Karius mal daneben griff, bescheinigte sie ihm "butterfingers" (Flutschfinger) oder betitelte ihn als "blunderful keeper" - im Gegensatz zu "wonderful keeper", statt eines wunderbaren Torwarts eben einer, der sich grobe Schnitzer leistet. Karius liest diese Blätter nicht mehr und begründet dies so: "In einem Jahr wirst du gefeiert, am nächsten Tag bist du eine Vollkatastrophe."

Blitzschnelle Spieleröffnung

Dabei sprechen die Fakten in Karius' Fall eine andere Sprache. In der aktuellen Champions-League-Saison hat der "Deutsche Fußballbotschafter 2018" in sechs Spielen kein Tor kassiert, das schaffte kein anderer Torwart in der europäischen Königsklasse. In 32 Saisonspielen, in denen Karius das Liverpooler Tor hütete, stand 16-mal die Null. Im Januar machte ihn Trainer Jürgen Klopp wieder zur Nummer eins.

Fußball Premier League Liverpool FC vs Watford FC
"Reds"-Trainer Jürgen Klopp hält große Stücke auf Loris KariusBild: dpa

"Er spielt mit, ist fußballerisch ein richtig guter Torhüter", lobte der Erfolgscoach im ZDF seinen deutschen Landsmann. "Er hat eine schnelle Auffassungsgabe, eine blitzschnelle Spieleröffnung, was wir gerne haben."

Mit 16 auf die Insel

Karius hat eine ungewöhnliche Karriere hinter sich. Mit sieben Jahren begann er, in einem Dorfverein in Biberach in Baden-Württemberg Fußball zu spielen - zunächst auf dem Feld. Weil bei einem Turnier der Torwart ausfiel, musste Karius einspringen: "Das hat so gut funktioniert, dass ich nicht mehr rausdurfte." Über die Zwischenstationen SSV Ulm und VfB Stuttgart führte ihn sein Weg schon mit 16 Jahren auf die Insel: Manchester City wurde auf den jungen Torwart durch dessen Auftritte in den DFB-Juniorenteams aufmerksam und nahm ihn unter Vertrag. ManCity ließ ihn in der zweiten Mannschaft des Vereins reifen und verlieh ihn schließlich zurück nach Deutschland an den FSV Mainz 05.

Förderer Thomas Tuchel

Dort erhielt Karius 2012 einen festen Vertrag. Im Dezember desselben Jahres gab er sein Bundesliga-Debüt. Der damalige FSV-Trainer Thomas Tuchel machte damit den 19-Jährigen zum jüngsten Torwart der Bundesliga-Geschichte. Ein Jahr später hatte er einen Stammplatz im Team.

Loris Karius
Von November 2013 an war Karius Stammtorwart des FSV Mainz 05Bild: picture-alliance/dpa/S.Puchner

Jürgen Klopp holte Karius im Mai 2016 zu den "Reds", wo er einen Vertrag bis 2021 unterschrieb. Ein Handbruch warf ihn zunächst zurück. Als er wieder spielen durfte, leistete sich Karius einige Fehler und wurde zur Nummer zwei hinter dem Belgier Simon Mignolet zurückgestuft.

Ziel Nationaltorwart

Den hat er inzwischen vom Platz zwischen den Pfosten verdrängt - durch gute Leistungen, auch wenn die englische Boulevardpresse gebetsmühlenartig dem FC Liverpool die Verpflichtung eines neuen Torwarts empfiehlt. Loris Karius kann es egal sein. Er wird das Tor hüten, wenn die "Reds" an diesem Samstag in Kiew (Anstoß 20.45 Uhr MESZ, ab 20.30 Uhr im DW-Liveticker) versuchen werden, im Finale der Champions League gegen Titelverteidiger Real Madrid den ersten Europapokalsieg seit 2005 zu holen. "Für uns alle ist es das Karriere-Highlight", sagte Karius im ZDF. "Deshalb wollen wir die Gelegenheit nutzen und uns den Pokal holen." Doch er blickt auch schon über diesen Höhepunkt hinaus, auf seine Zukunft beim FC Liverpool: "Ich will hier über Jahre Stammtorwart werden. Und ich will auch in die Nationalmannschaft kommen." Das dicke Fell, das ein Nationaltorwart benötigt, hat Karius jedenfalls.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter