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Lugo allein zu Haus

Marc Koch26. Juni 2012

Paraguays Präsident Fernando Lugo ist vom Parlament abgesetzt worden: offiziell ein legaler Vorgang. Doch für viele südamerikanische Staaten gleicht das einem Putsch. Sie fürchten um die Demokratie.

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Foto des ehemaligen Präsidenten von Paraguay, Fernando Lugo (Foto: dapd)
Bild: Reuters

Die beiden Damen waren sich ausnahmsweise einmal völlig einig: Während Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff und ihre argentinische Amtskollegin Cristina Fernández de Kirchner seit Monaten über die Handelsbeziehungen ihrer Länder streiten, klang ihre Reaktion auf die Amtsenthebung des paraguayanischen Präsidenten Fernando Lugo geradezu abgestimmt: Frau Kirchner sprach von einem "Staatsstreich", Frau Rousseff verlangte unter Berufung auf internationale Verträge Sanktionen gegen Paraguay: "Das Protokoll sieht für den Fall einer Verletzung der staatlichen Ordnung in einem Mitgliedsland eine Bestrafung durch die multilateralen Organisationen vor." Im Klartext: Brasilien fordert den Ausschluss Paraguays aus den Bündnissen Mercosur und Unasur.

Farce oder faires Verfahren?

Die Absetzung Lugos sorgt für einigen Wirbel in Südamerika: Botschafter wurden abberufen, eilig organisierte Krisentreffen sollen die Lage analysieren, beim eigentlich als Routinetreffen geplanten Mercosur-Gipfel am Freitag (29.06.2012) im argentinischen Mendoza steht das Thema ganz oben auf der Agenda. Das bizarre Verfahren des Parlaments gegen Lugo wegen "schlechter Amtsführung" hatte nur 30 Stunden gedauert, der geschasste Ex-Präsident hatte gerade einmal zwei Stunden Zeit, um sich zu verteidigen. Die Abgeordneten hatten sich zu Anklägern und Richtern gemacht und Lugo vorgeworfen, die Verantwortung für den Tod von 18 Menschen zu tragen: Sie waren bei einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen, als sogenannte "Landlose" von einer besetzten Farm vertrieben werden sollten. Die Räumung endete mit einer blutigen Schießerei.

Entwicklungsminister Niebel im Gespräch mit Präsident Franco (Foto: dpa)
Umstrittener Handschlag: Entwicklungsminister Niebel und Präsident Franco (r.)Bild: picture-alliance/dpa

Rückkehr der Vergangenheit

Lugos Anhänger aus dem linken Spektrum und aus der Landarbeiter-Bewegung waren unmittelbar nach dem "Urteil" auf die Straße gegangen. Ein Kellner in einem Restaurant in der Nähe des Parlamentsgebäudes hält die Absetzung für sinnlos: "Bis zu den nächsten Wahlen wäre es nur noch ein dreiviertel Jahr gewesen. Aber die reichen Farmer und die Viehzüchter machen in diesem Land eben, was sie wollen". Ein Taxifahrer wird noch deutlicher: Er vermutet die national-konservative Colorado-Partei hinter dem Coup gegen den Ex-Präsidenten: "Die tun alles, um wieder an die Macht zu kommen." Dennoch herrscht in der Hauptstadt Asunción eher Resignation als Proteststimmung.

Am Montag vereidigt: Paraguays neuer Präsident Federico Franco (Foto: dapd)
Am Montag vereidigt: Paraguays neuer Präsident Federico FrancoBild: dapd

Abwegig sind diese Vorwürfe nicht: Als Initiator von Lugos Absetzung gilt der Unternehmer und Großgrundbesitzer Horacio Cartes, der für die Colorado-Partei Präsident werden möchte. Die Colorado-Partei hatte Paraguay 61 Jahre lang regiert, sie war auch die Stütze des deutschstämmigen Diktators Alfredo Stroessner, der das Land von 1954-1989 beherrscht hat. Erst dem ehemaligen Bischof Fernando Lugo, einem Anhänger der Befreiungstheologie, war es 2008 gelungen, die Macht von Colorado zu brechen - was die Partei bis heute nicht verwunden hat. Nach dem Massaker auf der besetzten Farm sah sie wohl die Gelegenheit gekommen, zum entscheidenden Schlag gegen Lugo auszuholen.

Große Ziele, wenig Erfolg

In Paraguay besitzen zwei Prozent der Bevölkerung mehr als 80 Prozent des fruchtbaren Bodens. Die Agrarunternehmer und Viehbarone haben dem Land zwischenzeitlich ein zweistelliges Wirtschaftswachstum beschert - um die Tatsache, dass mehr als ein Drittel der sechseinhalb Millionen Paraguayos unterhalb der Armutsgrenze lebt, haben sie sich eher weniger gekümmert. Nachdem Lugo zum Präsidenten gewählt worden war, hatte er eine umfassende Landreform zu seinem obersten Ziel erklärt. Passiert ist allerdings bis heute kaum etwas. Lugo stützte sich auf ein Bündnis aus 20 kleineren Parteien und Organisationen - eine echte Machtbasis sieht anders aus. Seinen einzig ernstzunehmenden Partner, die Liberal-Radikale Partei, verprellte er, als er ausgerechnet einen Colorado-Politiker zum Innenminister machte. Auch das dürfte zu seinem Sturz entscheidend beigetragen haben. Und schließlich hat es der ehemalige Theologe und Vater von mindestens zwei Kindern nie geschafft, die in Paraguay einflussreiche katholische Kirche hinter sich zu bringen.

Bei Streit um Land in Paraguay kamen 17 Menschen ums Leben (Foto: Reuters)
Bei Streit um Land in Paraguay kamen 17 Menschen ums LebenBild: Reuters

Unterstützung aus dem Ausland

Die internationale Unterstützung scheint Lugo jetzt wieder Auftrieb zu geben: Er hat ein "Schattenkabinett" gebildet, das die neue Regierung aufmerksam beobachten will. Zum Mercosur-Gipfel wird er als Ehrengast kommen - Paraguays neuer Präsident Federico Franco wurde eilig ausgeladen. Wie weit der Staatenbund gegen Paraguay vorgehen wird, ist aber ungewiss: Gerade Brasilien und Argentinien haben engste Wirtschaftsbeziehungen zu dem Land. Und die wären durch jede Form von Sanktionen ernsthaft gefährdet.