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Lifestyle

Luthers Erben suchen Versöhnung

10. März 2017

Das 500. Reformations-Jubiläum wollen evangelische und katholische Kirche zwar ökumenisch als "Christusfest" begehen. Dennoch gibt es einige unüberwindlich erscheinende Hürden, die beide Konfessionen bis heute trennen.

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Vatikan EKD beim Papst
Bild: picture-alliance/dpa/AP/Servizio Fotografico L'osservato/L'Osservatore Romano

In Deutschland, dem Land der Reformation, standen sich katholische und evangelische Christen noch bis vor wenigen Jahrzehnten in tiefer Feindschaft gegenüber. Zahlreiche Verwerfungen, gegenseitige Verletzungen, Lehrverurteilungen, religiös motivierte Konflikte und Kriege begleiteten diese Trennung.

Der Grund: Mit der Reformation vor 500 Jahren begann die Spaltung der Kirche in eine katholische und eine evangelische Konfession. Denn Martin Luthers (1483-1546) Wunsch, die katholische Kirche zu reformieren, erfüllte sich nicht.

Im Gegenteil: Die Veröffentlichung seiner 95 Thesen gegen die Missstände in der Kirche seiner Zeit am 31. Oktober 1517 gilt als Grundstein der evangelischen Kirche und Ausgangspunkt der Aufspaltung in eine katholische und eine evangelische Konfession in Deutschland.

Annäherung statt Heldenverehrung

Israel Jerusalem Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm Kardinal Reinhard Marx Deutsche Bischöfe im Heiligen Land
Kardinal Reinhard Marx (l.), Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, während der Pilgerreise in BethlehemBild: picture-alliance/dpa/C. Kern

Bemerkenswert am Reformations-Gedenkjahr 2017, das bereits am 31.Oktober 2016 begann, ist der ökumenische Grundton. Begingen die protestantischen Kirchen ihre Reformationsjubiläen in der Vergangenheit gern als eine Art "Heldenverehrung" ihres Gründervaters Martin Luther, so ist das diesmal anders.

"500 Jahre Reformation" soll nach dem Willen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als gemeinsames Christusfest mit der katholischen Kirche begangen werden. Schon Mitte September 2016 veröffentlichten beide Seiten ein sogenanntes Gemeinsames Wort mit dem Titel "Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen".

Um weitere erfreuliche Kapitel des Miteinanders zu schreiben, gab es zudem vergangenen November eine gemeinsame Pilgerreise von deutschen Spitzenvertretern beider Konfessionen ins Heilige Land. Zudem war am 7. Februar 2017 war eine Delegation der EKD, angeführt vom Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, zu Besuch bei Papst Franziskus. Beide Seiten würdigten Martin Luther und betonten zugleich ihre Sehnsucht nach der Überwindung der Kirchenspaltung.

Am 11. März 2017 war schließlich Hildesheim Ort eines zentralen ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienstes. Der endete mit einem gemeinsamen Friedensgruß und der Selbstverpflichtung, weitere Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirchen zu gehen.

"Versöhnte Verschiedenheit"

Ziel von alledem ist eine bessere Verständigung und eine gewisse Annäherung der beiden Konfessionen. Eine neue Einheitskirche ist jedoch längst nicht in Sicht – falls sie überhaupt jemals kommen wird. Um ihr Verhältnis zu beschreiben, benutzen beide Seiten gern den Begriff "versöhnte Verschiedenheit". Denn vieles von dem, was Luther damals zu reformieren versagt blieb, unterscheidet und trennt die beiden Konfessionen bis heute. Hier die acht Hauptunterschiede:

1. Bibelverständnis:
Katholizismus und Protestantismus haben unterschiedliche Auffassungen über die Bedeutung und die Autorität der Bibel. Für evangelische Christen ist seit Luther klar: "Sola Skriptura" – allein die Bibel ist die einzige Quelle Gottes, über die er die Menschen mit Offenbarungen versorgt, die sie wieder in Gemeinschaft mit ihm bringen. 

Deutschland Das Deutsche Historische Museum Bibel von Martin Luther
Beinahe 500 Jahre alt - das Neue Testament, übersetzt von Martin LutherBild: AP

Katholiken hingegen bezweifeln die Gültigkeit dieser beinahe 500 Jahre alten Lehre der "Sola Scriptura". Sie glauben, das die Bibel allein nicht ausreichend ist, sondern dass neben der Heiligen Schrift zugleich auch die römisch-katholische Tradition für Christen bindend ist.

2. Kirchenverständnis:
Katholiken und Protestanten haben eine unterschiedliche Auffassung vom Wesen der Kirche. Die katholische Kirche (katholisch = allumfassend) versteht sich als alleinige wahre Kirche - weltumspannend, unter der Führung des Papstes.

Deutschland Kirchengewänder Priester Gottesdienst Lathen 2006
Unterschiedliche Sicht der theologischen Dinge - ein katholischer Priester (l.) und ein evangelischer PfarrerBild: Guido Bergmann/AFP/Getty Images

Für die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen (evangelisch = dem Evangelium entsprechend) gibt es keine einheitliche evangelische Kirche, sondern weltweit mehrere zehntausend verschiedene Denominationen. Offiziell betrachten sich all diese vielen Kirchen als gleichwertig.

3. Papstamt:
Keineswegs tolerant sind die Protestanten mit Blick auf das Papstamt. Das widerspricht nach evangelischer Auffassung den Aussagen der Bibel. Katholiken sehen im jeweiligen Papst den Nachfolger des Apostels Petrus - und somit das von Jesus Christus bestimmte Oberhaupt ihrer Kirche. Begründet wird das mit einer angeblich ununterbrochenen Kette von Weihen, die vom ersten Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht.

Vatikan Heiliges Jahr Papst Franziskus öffnet die Heilige Pforte
Papst Franziskus öffnet die Heilige Pforte im VatikanBild: Reuters/M. Rossi

4. Amtsverständnis:
Diese Weihekette, auch apostolische Sukzession genannt, hat eine generelle Bedeutung für das geistliche Amt in der katholischen Kirche. Mit dem Weihesakrament erhalten Bischöfe, Priester und Diakone für immer eine besondere Prägung Gottes für ihren Dienst. Deshalb steht der Dienst des Priesters über dem der katholischen Laien. Diese Weihe können zudem nur Männer bekommen.

Deutschland Priesterweihe im Liebfrauendom in München
Priesterweihe im katholischen Liebfrauendom MünchenBild: Imago/Plusphoto

Die evangelische Kirche sieht im geistlichen Amt keine Weihe der Person. Das Amt ist für sie eine von Gott gewollte Funktion. Im Prinzip kann diese auf jeden Gläubigen übertragen werden – auch auf Frauen.

5. Eucharistie oder Abendmahl:
Wie stark das Amtsverständnis der Katholiken das sakrale Handeln beeinflusst und das ökumenische Miteinander beeinträchtigt, wird beim Blick auf Eucharistie oder Abendmahl deutlich. Beide Begriffe stehen für jene Handlung im Gottesdienst, die Sterben und Auferstehung Jesu Christi vergegenwärtigen soll. Es geht zurück auf das letzte Mahl, das Jesus mit seinen Jüngern am Vorabend seiner Kreuzigung einnahm.

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Eucharistie: Geweihte Hände brechen BrotBild: picture-alliance/ dpa

Der katholischen Eucharistie darf nur ein geweihter Priester vorstehen. Nur er kann im Namen Jesu Brot und Wein verwandeln in Leib und Blut Christi. Nicht-Katholiken sind nicht zugelassen.

In der evangelischen Kirche ist generell jeder Getaufte eingeladen, teilzunehmen und jede ordinierte Person, also auch ein ordinierter Laie, kann das Abendmahl leiten. Das ist einer der Gründe für die Ablehnung der Mahlgemeinschaft von katholischer Seite.

Außerdem ist das Abendmahl inhaltlich unterschiedlich gefüllt. Katholiken sehen darin eine ständige Wiederholung des Opfers Jesu Christi. Die Hostie wird in ihrer Interpretation zu Jesus und kann dann angebetet werden.

Für Evangelische wird mit dem Abendmahl lediglich an den Tod und die Auferstehung Jesu erinnert. Besonders herausgestellt wird die Gemeinschaft derer, die das Abendmahl feiern.

6. Sakramente:
In der römisch-katholischen Kirche gibt es sieben heilige Handlungen, sogenannte Sakramente: Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte, Ehe, Priesterweihe und Krankensalbung. Durch diese Sakramente, Zeichen Gottes, bewirkt Gott Heil, davon ist die Kirche überzeugt.

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Die kirchliche Eheschließung ist in der katholischen Kirche ein SakramentBild: picture-alliance/dpa

In der evangelisch-reformierten Kirche gelten nur zwei Sakramente: die Taufe und das Abendmahl (Eucharistie). In der evangelisch-lutherischen Kirche außerdem auch die Beichte. Sie werden als symbolisch-rituelle Handlungen verstanden, durch die Gott dem Menschen das Evangelium zuspricht. Es muss durch den Glauben angenommen werden. 

7. Marien- und Heiligenverehrung:
Die römisch-katholische Kirche verehrt Maria, die Mutter Jesu, als "Himmelskönigin" und sieht sie in vielen Dingen Jesus gleichgestellt. Da es insbesondere für die Mariendogmen keine biblischen Belege gibt, werden sie von evangelischer Seite abgelehnt. Diese Dogmen sind die Rettung Marias von der Erbsünde und ihre leibhaftige Aufnahme in den Himmel.

Bayern Kloster Andechs Sitzende Madonna
Maria ist die im Neuen Testament der Bibel beschriebene Mutter von Jesus. Auch diese Marien-Skulptur im Kloster Andechs wird von Katholiken verehrtBild: picture-alliance/Imagno/G. Trumler

Zusätzlich praktiziert die katholische Kirche die Heiligenverehrung. Verstorbene Glaubensvorbilder, die in der Kirchengeschichte heilig gesprochen wurden, werden um ihre Vermittlung und Fürbitte gebeten und darum, bei Gott Fürsprache für den Gläubigen zu halten. Die wiederum erhoffen sich Unterstützung bei ihren über 4000 Heiligen für persönliche Gebetsanliegen und verehren ihre Reliquien.

Auch die Heiligenverehrung lehnt die evangelische Kirche kategorisch als unbiblisch ab. Jeder Mensch kann und soll sich nach reformatorischem Verständnis direkt im Gebet an Gott wenden.

8. Zölibat:
Das Versprechen ehelos und sexuell enthaltsam zu leben, kennen alle großen Weltreligionen – auch die katholische und die evangelische Kirche. In der katholischen Kirche ist der Zölibat für Priester und Ordensleute verpflichtend. Er wird verstanden als Zeichen der ungeteilten Nachfolge Christi.

Die evangelischen Kirchen lehnen den Zölibat als Pflicht ab. Bereits 1520 forderte Martin Luther seine Abschaffung. Dazu leistete er selbst 1525 den entscheidenden Beitrag. Der frühere Mönch heiratete die ehemalige Nonne Katharina von Bora. Sie begründeten durch ihre Heirat eher nebenbei das "Evangelische Pfarrhaus", das über die Jahrhunderte zu einem Merkmal der Gemeinde wurde.

Deutschland entdecken - Luthers Hochzeit 002
Martin Luther und seine Frau Katharina von Bora - evangelisches Musterpaar mit VorbildfunktionBild: Lutherhaus Wittenberg