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Luxus macht sich bezahlt

Ingun Arnold19. Juni 2004

Ein Unternehmen, das eine "Manufaktur" sein will, sollte seine Kunden mit exklusiver Handarbeit verwöhnen - eine Herausforderung insbesondere für Deutschlands Porzellan-Manufakturen. Kompromisse rächen sich.

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Porzellan-Manufaktur Meissen Porzellanmalerin
Porzellanmalerin Irina HaberlandBild: dpa Zentralbild

Das Arbeitslicht exakt justiert, die Hand auf dem Polster, die Mustervorlage im Blick: Mit Augenmaß und zartem Pinselschwung setzt die Porzellanmalerin Schmetterlinge und Beeren auf die Schüssel. Die Farben werden nach Geheimrezepten gemischt. Nur Kenner sehen auf den ersten Blick, ob das Muster im 21. oder im 18. Jahrhundert gemalt wurde.

Vom ideellen Wert der Handarbeit

Die erste und älteste Porzellanmanufaktur Europas in Meißen kultiviert altbewährtes Handwerk. Und nur dieses. Auch, wenn es eng wird: Die Manufaktur lag 2003 nur knapp in der Gewinnzone, baute 100 Stellen ab, weitere 60 sollen wegfallen. Seit August letzten Jahres sind alle Bereiche auf Kurzarbeit. Mehr Zugeständnisse an die angespannte Marktlage macht Meißen allerdings nicht. Keine Massenproduktion, keine Maschinen.

"Das mittlere Preissegment wird über kurz oder lang verschwinden. Es gibt entweder billige Ware oder sündhaft teure", prognostiziert Professor Gert Gutjahr vom Institut für Markenpsychologie in Mannheim. "Wer fragt schon nach dem Preis bei einem handbemalten, edlen Geschirr?" Seit 1710 beliefert die ehemals Königlich-Sächsische Porzellanmanufaktur Meißen gutbetuchte Kunden in aller Welt. Die Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten: Sieben weitere Manufakturen wurden allein im 18. Jahrhundert gegründet. Zwei von denen kämpfen inzwischen hart ums Überleben: die Porzellanmanufaktur Fürstenberg und die Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) in Berlin.

Was zählt, ist die Marke

Porzellanmanufaktur KPM
Das Formenkarussel von KPMBild: dpa Zentralbild

"Das Beste für beide wäre eine klare Luxusstrategie", ist sich Thomas Kastl, Chef der Frankfurter Fachmesse 'Ambiente', sicher. Denn Anfang kommenden Jahres fallen die letzten Handelsschranken des Porzellanmarktes. "Qualitativ hochwertiges, aber sehr billiges Porzellan aus China drängt auf den Markt." Der Kunde merkt zumeist nicht, ob das mittelprächtige Kaffeeservice bei Fürstenberg oder KPM oder in einer No-Name-Fabrik in China hergestellt worden ist. "Das Produktions-Know-How ist gleichmäßig verteilt", weiß auch Markenpsychologe Gutjahr. An beiden Standorten stehen die gleichen Maschinen – nämlich die, die man üblicherweise zur Porzellanherstellung braucht. Was die Billigprodukte von den teuren unterscheidet, ist der Markenwert.

Kapital für Generationen

Im Deutschen Patentamt sind zirka 700.000 geschützte Marken eingetragen. 60.000 davon sind am Markt aktiv. "200 gelten als so genannte 'starke Marken'", rechnet Gutjahr weiter vor. "Vielleicht 20 sind wirklich Kult." Diese wiederum haben eine lange Geschichte, denn eine Kultmarke etabliert sich nur langsam, über mehrere Generationen. "Sie braucht im Durchschnitt 80 Jahre", so Gutjahr.

Die Meißner Porzellanmanufaktur besteht seit dreihundert Jahren. Fürstenhäuser und Königskinder, Staatsmänner und Popstars speisen von den Tellern mit den Blauen Schwertern. Die 200.000 Modelle aus allen Epochen, die im Formenarchiv der Manufaktur schlummern, sind unschätzbares Kapital für die Zukunft.