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Luz: Bald nicht mehr (bei) "Charlie Hebdo"

19. Mai 2015

Seelische Balastung, fehlende Inspiration und kein Interesse mehr an der Persönlichkeit Mohammeds: Der langjährige Karikaturist der gezeichneten französischen Satirezeitung will diese im September verlassen.

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Luz auf einer Pressekonferenz bei Charlie Hebdo am 13. Januar (Foto: Aurelien Meunier/Getty Images)
Weitermachen, auch wenn es schwer fiel: Luz auf einer Pressekonferenz bei Charlie Hebdo am 13. JanuarBild: Aurelien Meunier/Getty Images

Viereinhalb Monate nach dem islamistischen Anschlag auf "Charlie Hebdo" hat der bekannte Karikaturist Luz seinen Abschied von der französischen Satirezeitung angekündigt. "Es ist eine sehr persönliche Entscheidung", sagte der Zeichner der französischen Tageszeitung "Libération". "Ich haue ab, weil es schwer für mich ist, zu aktuellen Themen zu arbeiten." Er will "Charlie Hebdo" im September verlassen.

"Viele Leute drängen mich, weiterzumachen, aber sie vergessen, dass das Problem die Inspiration ist", sagte Luz, der mit richtigem Namen Renald Luzier heißt und 1992 zu "Charlie Hebdo" gestoßen war. Er habe schon lange über einen Abschied nachgedacht. Aber nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" habe er aus Solidarität weitergemacht, "um niemanden fallen zu lassen". "Es war bloß irgendwann zu schwer zu tragen", sagte er.

"Jeder Redaktionsschluss ist eine Folter"

Zwei Islamisten hatten am 7. Januar die Pariser Redaktionsräume der Satirezeitung gestürmt, die immer wieder mit Mohammed-Karikaturen für Aufsehen gesorgt hatte. Sie erschossen dort und auf ihrer Flucht zwölf Menschen, unter ihnen fünf der bekanntesten "Charlie Hebdo"-Zeichner. "Jeder Redaktionsschluss ist eine Folter, weil die anderen nicht mehr da sind", sagte Luz, der nach dem Anschlag zum bekanntesten Mitarbeiter von "Charlie Hebdo" wurde, zu "Libération". "Es sind schlaflose Nächte, in denen ich mich an die Toten wende und mich frage, was Charb, Cabu, Honoré oder Tignous gemacht hätten. Das ist erschöpfend."

Nizza, 7. Januar: Eine der zahllosen Solidaritätskundgebungen unmittelbar nach dem Charlie-Hebdo-Anschlag (Foto: VALERY HACHE/AFP/Getty Images)
Nizza, 7. Januar: Eine der zahllosen Solidaritätskundgebungen unmittelbar nach dem Charlie-Hebdo-AnschlagBild: AFP/Getty Images/V. Hache

Luz gestaltete eine Woche nach dem Anschlag die Titelseite einer neuen Ausgabe der Satirezeitung, auf der unter der Überschrift "Alles ist vergeben" ein weinender Mohammed zu sehen ist, der ein "Ich bin Charlie"-Schild in der Hand hält. Die Ausgabe verkaufte sich rund acht Millionen Mal, ein Rekord in der französischen Pressegeschichte. Zugleich aber führte die erneute Abbildung des Propheten zu wütenden und teils tödlichen Protesten in muslimischen Ländern. Ende April sagte Luz, er wolle keine Karikaturen des Propheten mehr zeichnen, weil ihn "die Persönlichkeit Mohammed" nicht mehr interessiere.

"Nochmal die Bibel lesen - nein, ich spinne"

Nach seinem Abschied von der Satirezeitung wolle er Bücher machen, sich "Zeit nehmen" und "nochmal die Bibel lesen", sagte Luz und schob hinterher: "Nein, ich spinne." In einigen Monaten werde er nicht mehr bei "Charlie Hebdo" sein. "Aber ich werde immer Charlie sein." Mit dem Spruch "Ich bin Charlie" hatten sich Menschen in aller Welt nach dem Anschlag solidarisch mit den Opfern und der Satirezeitung gezeigt.

Die jahrelang unter Geldproblemen leidende Satirezeitung steht nach den Anschlägen finanziell so gut da wie nie zuvor. Seit Januar erwirtschaftete die Zeitung durch Verkäufe rund zwölf Millionen Euro vor Steuern. Allerdings spaltet derzeit ein Streit um den Umgang mit dem Geld und die Führungsstruktur die Redaktion. Im April forderten 15 der rund 20 "Charlie Hebdo"-Mitarbeiter - unter ihnen Luz -, als Aktionäre an der Satirezeitung beteiligt zu werden.

sti/se (afp, dpa)