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Lügen auf Bestellung

Daniel Scheschkewitz, Washington D.C.9. Juli 2004

Der US-Senat hat einen Bericht vorgestellt, der den CIA scharf kritisiert. Der Geheimdienst habe die Bedrohung durch den Irak unzulässig übertrieben. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, meint Daniel Scheschkewitz.

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Wer erinnert sich nicht? Vor zwei Jahren, als die Irakkrise langsam dem Höhepunkt entgegen strebte, wurde von den Befürwortern einer kriegerischen Lösung meistens der CIA zitiert. Der ruhmvolle Geheimdienst wollte hinreichend Belege dafür gesammelt haben, dass Saddam Hussein über gefährliche Massenvernichtungswaffen verfügte und kurz davor stand auch die Atombombe zu besitzen. Nur wenn man ihn daran hindere, so die politische Schlussfolgerung damals, könne die Region, Amerika, ja die Welt vor großem Unheil bewahrt werden.

Mit Brief und Siegel

Kriegsgegner sprachen schon damals von einer Lüge, ohne dafür Beweise zu haben. Der Untersuchungsbericht der US-Senatoren stellt es nun aber mit Brief und Siegel fest. Der CIA hat damals nicht nur übertrieben, sondern einseitig und verzerrt dargestellt und sich auf dubiose Quellen berufen. Er hat der Regierung von Präsident Bush das Argumentationsmaterial für die Rechtfertigung eines Krieges geliefert, der viele unschuldige Menschenleben gekostet hat und den Irak in ein anhaltendes Chaos stürzte. Der amerikanische Geheimdienst - er hat ein tödliches Gefälligkeitsgutachten geliefert.

Die Bushregierung wird den Bericht dazu verwenden, sich selbst vom Vorwurf der Lüge rein zu waschen. Seht her, wir haben doch nur umgesetzt, was uns der Geheimdienst eingeflüstert hat. Wem sonst hätten wir glauben sollen, zumal alle anderen Geheimdienste der Welt die Einschätzung des CIA doch teilten. Doch so einfach ist es nicht. Auch wenn der Senat keine direkte Einflussnahme durch die Bushregierung auf Geheimdienstmitarbeiter feststellen konnte, unter dem Strich arbeitet jeder Geheimdienst doch als Regierungsbehörde und in einem bestimmten politischen Klima.

Unglaubwürdig und verhasst

Das sah aber eben die Bestrafung Saddams vor. Rumsfeld, Bush und Cheney machten die Vorgaben, der CIA hatte die entsprechenden Bewiese zu liefern. Dass sie dieser Aufgabe ziemlich stümperhaft nachkamen liegt in der Natur der Sache. Wo keine Massenvernichtungswaffen waren, konnte auch der CIA keine herzaubern.

Jetzt ist der amerikanische Geheimdienst selbst zwischen die politischen Fronten geraten. George Tenet hatte schon vor dem vernichtenden Bericht seinen Hut genommen, quasi vorbeugend. Doch die Bushregierung wird auch mit dem Sündenbock CIA um das Thema Irak im Wahlkampf nicht herumkommen. Immer mehr Amerikaner sind der Ansicht, dass der Irakkrieg ein Fehler war. Und die Öffentlichkeit wird das Gefühl nicht los, dass sie von dieser Regierung massiv hintergangen wurde. Mit fatalen Folgen, denn nicht nur haben inzwischen 1000 Koalitionssoldaten bei den Kämpfen im Irak ihr Leben verloren. Amerika steht weltweit unglaubwürdig und in der moslemischen Welt sogar verhasst dar.

Nicht nur der CIA hat versagt

Dass der größte Geheimdienst der Welt mit seinen fast einhunderttausend Mitarbeitern nicht in der Lage war, ein Land wie den Irak auszuspionieren, ist schlimm genug. Dass deshalb unschuldige Menschen sterben mussten, ist der eigentliche Skandal. In den USA haben aber nicht nur Geheimdienstler versagt, auch Journalisten und die demokratische Opposition bis hinauf zum Präsidentschaftskandidaten Kerry müssen sich fragen lassen, warum sie den getürkten Geheimdienstberichten so einfach auf den Leim gegangen sind. Eine weitgehend unkritische Medienlandschaft und eine handzahme Opposition waren mit dafür verantwortlich, dass aus dem CIA eben jene Lügenfabrik wurde, die den Krieg auf Bestellung erst möglich machte.