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Frauen in der Wirtschaft

Manuela Kasper-Claridge (z.Zt. London)24. Juni 2013

"The most powerful women" nennt die Zeitschrift Fortune ihren Kongress in London, zu dem über 100 Frauen eingeladen wurden: CEOs, Direktorinnen, Managerinnen, Bankerinnen. Die meisten kommen aus Europa.

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Telefonierende Geschäftsfrau (Foto: dpa)
Bild: picture-allianc/dpa

Der Ort könnte traditioneller nicht sein. Immerhin blickt das Claridge's, eines der Londoner Spitzenhotels, auf eine fast 160 Jahre alte Geschichte zurück. Bereits 1860 besuchte Königin Victoria das Hotel, um ihre Freundin, die französische Kaiserin Eugenie, zu treffen. Zwei einflussreiche und auch mächtige Frauen, die damals ihr Netzwerk pflegten. Auch an diesem kalten Junitag im Jahr 2013 geht es um Netzwerke von Frauen. "Sie sind heute hier, um sich kennenzulernen", sagt Stephanie Metha von der Zeitschrift Fortune, die den Kongress organisiert hat. "The most powerfull women" ist der Titel der Veranstaltung, und wer von den "mächtigen Frauen" daran teilnehmen wollte, konnte sich nicht einfach anmelden, sondern musste eingeladen werden.

Die Architektin Zaha Hadid (Foto: dpa)
Eine der Teilnehmerinnen: Star-Architektin HadidBild: picture-alliance/dpa

Frauen in Führungspositionen

Und so treffen sich im Ballssaal des Claridges Frauen wie Barbara Kux, Vorstand von Siemens, Harriet Green, CEO von Thomas Cook, Zaha Hadid, einer der weltweit bekanntesten Architektinnen oder Andrea Jung, Aufsichtsrätin bei Apple und Daimler. Doch es geht an diesem Tag nicht um Frauenfragen, sondern um Sachthemen. Welche Rolle spielt Corporate Social Responsibility in Unternehmen oder was ist zu beachten, wenn Aufsichtsräte neu aufgestellt werden.

"Sie brauchen mich"

"Ich glaube, Sie brauchen mich", schrieb Harriet Green an den Chairman von Thomas Cook, als sie sich 2012 um den Job als Chefin bei Thomas Cook bewarb. "Kein Headhunter hatte mich auf der Agenda" erzählt die agile Blondine, "weil ich über keine Erfahrungen im Reisegeschäft verfügte." Sie war aber eine Expertin für Veränderungsprozesse, hatte diese in verschiedenen Unternehmen begleitet und bereits auf vier Kontinenten gelebt. "Und Thomas Cook brauchte einen Neuanfang. Das war klar.“ Green berät heute den britischen Premierminister und schaffte es 2013 auf die sogenannte Powerlist der BBC, der Top 100 Frauen im Vereinigten Königreich. Green erzählt ihre Bewerbungsgeschichte so offen, weil sie anderen Frauen Mut machen will, die Initiative zu ergreifen. Denn oft wüssten die Findungskommissionen nicht, dass es eine geeignete Frau für einen Top-Job gibt. Frauen würden zu wenig Werbung für sich machen.

Jobs, die keiner will

Siemens-Vorstand Barbara Kux erklärt ihren Aufstieg damit, dass sie während ihrer Karriere Jobs übernahm, die ihre männlichen Kollegen nicht so richtig wollten. So baute sie noch vor dem Fall der Mauer das Südosteuropageschäft für den niederländischen Philips-Konzern auf. Dieser Markt schien einigen ihrer Kollegen anfangs zu riskant. Ab November will sich Kux auf die Arbeit in Aufsichtsräten beschränken. Ihr Vertrag bei Siemens läuft aus und Kux wird unter anderem im Aufsichtsrat des französischen Unternehmens Total arbeiten. Offen erzählt sie, dass sie das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden werde, weil sie dann in Paris gleich einkaufen könne. Damit hat sie die Lacher auf ihrer Seite und die eine oder andere Frau wird sich fragen, ob die schicke rosafarbene Jacke, die Kux trägt, wohl auch aus Paris kommt.

Entspannt und farbenroh ist es an diesem grauen Londoner Tag. In den Pausen sieht man keine grauen oder blauen Einreiher, sondern Frauen in allen Farben mit schicken Accessoires. Rein optisch schon ein Unterschied zu anderen Wirtschaftskonferenzen. Inhaltlich aber nicht, denn "netzwerken" heißt auch hier: Visitenkarten und Mail-Adressen austauschen, ins Gespräch kommen. Aber hier trifft sich keine eingeschworene Gemeinde, sondern Frauen aus unterschiedlichsten Branchen, die sich bisher nicht kannten.

Die Mischung machts

Andrea Jung, lange Chefin des Kosmetik-Riesen Avon und nun im Aufsichtsrat von Apple und Daimler, betont, wie wichtig heute gemischte Aufsichtsräte seien. Seit drei Monaten ist die Amerikanerin bei Daimler und hat Spaß dabei. Die Autoindustrie war ihr bisher fremd, international agierende Unternehmen aber nicht. "Sicher ist die Atmosphäre bei Daimler anders als bei Apple", erzählt sie. Aber auch der Stuttgarter Konzern zeige sich offen und gesprächsbereit. Jung überlegt, wie sie junge Frauen fördern kann, allerdings seien nur acht bis neun Prozent der Ingenieure Frauen. Das müsse sich ändern.

Erfolgreich mit Parfums

Bewegend ist der Auftritt der Unternehmerin Jo Malone, die ihre eigene Kosmetik- und Parfummarke gründete und diese später an den US-Konzern Estee Lauder verkaufte. "Das ich mal hier oben sitzen würde, hätte ich nicht gedacht", sagt die Britin mit Erstaunen und zeigt lachend auf das "most powerful" Schild. "Ich habe mit 14 Jahren die Schule verlassen, weil ich meine kleine Schwester und meine Familie unterstützen musste", erzählt sie. "Nichts deutete auf eine Karriere hin." In der heimischen Küche begann sie Parfums zu kreieren: Ihr Mann unterstützte sie und per Mundpropaganda warben sie für die Düfte. Mut müsse man haben als Unternehmerin und immer wieder etwas Neues anfangen, sagt sie.

Malones neue Marke heißt "Jo Love", denn Jo Malone gehört seit 1999 zum Lauder-Konzern, für den sie bis 2006 als Kreativdirektorin arbeitete. Dann kam die erschütternde Diagnose: Brustkrebs. Malone kämpfte um ihr Leben. Ihr Sohn war damals zwei Jahre alt. Entgegen erster Prognosen ist sie heute wieder gesund und wer die fröhliche Frau trifft, kann nicht ahnen, was sie vor einigen Jahren durchgemacht hat. Auf dem Kongress im Claridge's erzählt sie voller Energie von ihrem neuen Kosmetikunternehmen. Das erste Geschäft von "Jo Love" befindet sich in der britischen Hauptstadt. "On 42nd Elizabeth Street", betont sie voller Stolz. Genau an dieser Adresse hat Jo Malone bereits im Alter von 16 Jahren gearbeitet.