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Möbelhersteller aus Osteuropa bereiten sich auf den EU-Beitritt vor

17. Januar 2003
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Köln, 16.1.2003, DW-radio, Daphne Springhorn

Schon längst haben sich die ehemaligen Holz- und Möbelkombinate des Ostblocks zu erfolgreichen Exporteuren entwickelt. Kein Wunder also, dass Osteuropa auf der diesjährigen internationalen Möbelmesse in Köln gut vertreten ist. Aber die osteuropäische Möbelindustrie sieht der EU-Erweiterung mit gemischten Gefühlen entgegen. Einen Vorgeschmack für die Unwägbarkeiten des Marktes erlebt die Branche gerade durch die Konjunkturflaute in Deutschland.

Auf der Möbelmesse in Köln sind die 70 Anbieter aus Osteuropa in fast allen Hallen vertreten. Das Programm reicht von massiven Wohnmöbeln über klassische Repliken bis hin zu Büroeinrichtungen in modernem Design. Die Produktpalette hat sich deutlich vergrößert, doch nicht alle EU-Beitrittsländer konnten Gewinne verbuchen. Die Tschechische Republik zum Beispiel, ehemals die "Schreinerei Europas", hatte sich auf Deutschland als Abnehmer der Möbelindustrie konzentriert und ist nun von der Konjunkturflaute schwer getroffen. In welchem Ausmaß, lässt sich jedoch nur schwer abschätzen. Die Tschechen hatten sich bislang nicht in einem Verband organisiert und haben die von ihrer Regierung angebotene Infrastruktur wenig genutzt. Das soll sich jetzt ändern, auch mit Blick auf den anstehenden EU-Beitritt. Dazu Viktor Vodicka, Vertreter des Ministeriums für Industrie und Handel der Tschechischen Republik:

"Unsere konkreten Hilfeleistungen sind natürlich die Dienstleistung über die Messen. Und wenn in der tschechischen Industrie ein Wille oder ein Interesse da ist, an solchen Aktivitäten teilzunehmen, dann können die kleinen und mittelständischen Firmen von unserer Seite eine direkte Unterstützung bekommen. Denn sie müssen dann Projekte vorlegen, die werden überprüft, ob sie unserer Republik auch etwas bringen, d. h. im Rahmen der weiteren Entwicklung der Europäischen Union."

Auch in Polen haben die Möbelfirmen vor allem mit deutschen Abnehmern zusammengearbeitet. Seit der Wirtschaftskrise in Deutschland ist der Export der Möbelbranche deshalb über 60 Prozent zurückgegangen. Doch nicht alle Firmen sind davon betroffen. Die polnische Firma Fameg, die 1882 von dem österreichischen Möbeldesigner Michael Thonet gegründet wurde, exportiert 80 Prozent ihrer Produktion weltweit. Die klassischen Thonet-Stühle aus Buchenholz sind wegen ihrer Eleganz, Leichtigkeit und Stabilität zum Cafehaus-Stuhl avanciert und haben bisher nichts von ihrem Charme verloren. Der Traditionsfirma kommt zu Gute, dass diese Art von Stuhl maschinell nicht hergestellt werden kann. Wie vor 150 Jahren braucht man zwei Schreiner, die mit Dampf in einem aufwändigen Verfahren den Stuhl zurechtbiegen. Trotz der weltweiten Exporte liegen die Thonet-Stühle nicht immer im Trend, meint Janusz Kolakowski, der Direktor von Fameg. Deshalb werde das Angebot laufend erweitert:

"Wir verändern uns dauernd. Wir beobachten den Markt, was der Markt in diesem Moment möchte, und das bedeutet, dass wir jedes Jahr 50 neue Modelle produzieren. Wir werten den Markt mit Hilfe der Ausstellungen, der Zeitungen, der Presse, der Klienten und allem möglichen aus."

Da Fameg bereits seit 20 Jahren den europäischen Markt beliefert, sieht Kolakowski dem EU-Beitritt Polens gelassen entgegen. Er erhofft sich nicht nur bessere Absatzbedingungen, sondern auch endlich faire Löhne für seine Arbeiter.

Die estnische Möbelindustrie hat in den letzten Jahren ordentlich zugelegt und konnte ihren Export um 60 Prozent verbessern. Das zeige sich auch an der Zahl der Aussteller auf der Kölner Möbelmesse, neun Firmen seien in diesem Jahr mit dabei, erklärt stolz Reet Truuts, Projektmanagerin von Enterprise Estonia. Enterprise Estonia ist eine der fünf estnischen Handelsagenturen, die als Stiftung im Auftrag des Wirtschaftsministeriums den Aufbau von Firmen unterstützt, begleitet und berät. Als die Agentur gegründet wurde, habe man das Rad nicht neu erfunden, sondern sich an vergleichbaren Agenturen im Westen orientiert, erklärt Reet Truuts. Enterprise Estonia habe man deshalb nach dem Vorbild von Enterprise Irland gegründet, und die Zahlen zeigen, es funktioniert. Allerdings sähen die Möbelfirmen dem Beitritt der Europäischen Union mit Sorge entgegen:

"Die Firmen wissen nicht genau, was passieren wird, wenn wir zur EU gehören werden. Es ist klar, dass sich die Arbeitskräfte dann frei bewegen können. Aber welche Investitionen die Firmen machen sollen, um auf dem gleichen Niveau zu sein, was ist erlaubt, was nicht, das ist noch nicht bekannt. Deshalb laden wir ganz viele Berater ein, damit sie Seminare machen und Vorlesungen halten, und uns ihre Erfahrung mitteilen."

Der Möbelbranche aller drei Ländern ist gemein, dass sie nicht nur Zulieferer von großen Möbelfirmen sein wollen, sondern sich auch mit eigenem Design auf dem Markt etablieren wollen. Dabei kommt ihnen auch zu Gute, dass sie kein Material einkaufen müssen. Wälder mit hochwertigem Baumbestand sind das Markenzeichen Osteuropas, ein großes Plus beim Eintritt in die Europäische Union. (fp)