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Mörderisches Phantom

Peter Philipp25. September 2004

Die Ergreifung Abu Mussab el Sarkawis ist Washington 25 Millionen Dollar wert. Dabei ist nicht einmal verbrieft, dass der Terrorist, der für die jüngsten Geiselnahmen und Morde verantwortlich sein soll, noch lebt.

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Meistgesuchter Terrorist im Irak: Abu Mussab el SarkawiBild: AP

Der 37-jährige Abu Mussab el Sarkawi hat sich in den letzten Monaten zum meistgefürchteten und meistgesuchten Terroristen im Irak entwickelt. Bereits in Afghanistan soll Sarkawi bei einem amerikanischen Luftangriff ein Bein verloren haben, und seit dem amerikanischen Einmarsch im Irak soll er dort der Wegbereiter eines blutigen Terrorkrieges gegen die Besatzer gewesen sein.

Seine Gruppe "Al Tawhid und Jihad" ("Einheit und Heiliger Krieg") wird als die radikalste und blutrünstigste der im Irak operierenden Terrorgruppen bezeichnet, nachdem sie für die Enthauptung mehrerer westlicher Geiseln verantwortlich ist. Zu den Opfern zählen unter anderem der US-Amerikaner Nick Berg, der angeblich von Sarkawi persönlich getötet wurde, und jetzt der ebenfalls ermordete US-Bürger Eugene Armstrong. Die Gruppe soll aber auch verantwortlich sein für die Ermordung des Schiiten-Führers Bakr el Hakim Ende August 2003. Bei diesem Anschlag in Nadschaf kamen außer Hakim 80 unbeteiligte Zivilisten ums Leben.

Parallelen zu Bin Laden

Es ist bisher unklar, wie es Sarkawi gelingt, sich im Irak unentdeckt zu bewegen und immer wieder neue Angriffe und Entführungen vorzunehmen. Der Mann ist jordanisch-palästinensischer Herkunft mit familiären Beziehungen zum Beduinen-Stamm der "Beni Hassan". Dieser Beduinen-Stamm lebt im Grenzgebiet und gewährt Sarkawi möglicherweise Unterschlupf und Bewegungsfreiheit. Der Vergleich zur "Gastfreundschaft" der Stämme in den "Nordwest-Gebieten" Pakistans gegenüber Osama Bin Laden ist offensichtlich.

Dieser Vergleich ist nicht die einzige Parallele zwischen Sarkawi und Bin Laden: Beide gehören zu den - ursprünglich von den USA unterstützten - Afghanistan-Kämpfern gegen die sowjetischen Besatzer. Es ist aber nicht ganz klar, wie weit beide zusammen oder vielleicht sogar in Konkurrenz zueinander gehandelt haben. So ist auch nicht klar, ob Sarkawi tatsächlich der "Verbindungsmann" von "El Kaida" zum irakischen Ex-Diktator Saddam Hussein war oder werden sollte, oder ob dies nur ein Hirngespinst der USA ist - die Sarkawi längst ähnlich dämonisieren wie "Kaida"-Chef Bin Laden.

Kampf in Afghanistan

Bekannt sind jedoch einige Etappen der blutigen Laufbahn Sarkawis: Nach dem Abzug der Sowjets aus Afghanistan kehrte der junge Mann - wie so viele seiner Kampfgenossen aus den Reihen der islamistischen "internationalen Brigade" - in seine Heimat zurück, um nun dort für eine Veränderung der Machtverhältnisse zu kämpfen. Sarkawi kam für einige Jahre ins Gefängnis und tauchte nach seiner Flucht unter. Unbestätigte Gerüchte weisen darauf hin, dass er Unterschlupf bei Gleichgesinnten in Deutschland fand. Bald jedoch führt ihn sein Weg wieder nach Afghanistan, wo er im westlichen Herat ein Ausbildungslager für Terroristen einrichtet. Sein Spezialgebiet: Der Umgang mit Giftgas. In Jordanien wird er unterdessen in Abwesenheit zum Tode verurteilt, weil er Anschläge auf israelische und amerikanische Ziele geplant habe.

Als die USA nach dem 11. September die Herrschaft der Taliban in Afghanistan brechen, soll Sarkawi begonnen haben, Kontakte mit radikalen Anhängern von "Ansar el Islam" aufgenommen haben. Dieser islamistischen Gruppe im kurdischen Nord-Irak sagen die USA - freilich unbewiesene - Kontakte zum Saddam-Regime nach. Während des amerikanischen Einmarsches in den Irak werden die Lager der Gruppe bombardiert und ihren Anhängern schwere Verluste zugefügt. Vielleicht ein zusätzlicher Grund für den unbändigen Hass Sarkawis auf die USA.

Keine Machtbasis

Fahndung nach Abu Musab el Sarkawi
US-Marines mit einem Infoblatt zur Erkennung des TerroristenBild: AP

Über eine echte Machtbasis verfügt Sarkawi aber nicht im Irak. Er und seine Anhänger nutzen das allgemeine Chaos im Land für ihr blutiges Handwerk. Sie haben aber keine Chance, wirklich mehr zu erreichen, als Unruhe zu stiften und das Chaos noch weiter zu vertiefen. Das aber reicht schon längst aus, um die Mystifizierung des Erzterroristen und seiner Anhänger voranzutreiben und ihnen auch schon die Autorenschaft internationaler Terroranschläge - von Madrid bis Istanbul - nachzusagen. Auch in dieser Hinsicht gleicht das "Phantom Sarkawi" immer mehr dem "Phantom Bin Laden".