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Münsters maritime Seite

Heike Hucht18. Juni 2013

Universitätsstadt, Radfahrerhochburg, lebenswerte Stadt. Münster lockt mit vielen Titeln. Besonders spannend ist die Entwicklung des Binnenhafens: Von der Industriebrache zur Kreativ- und Ausgehmeile.

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Der Hafen von Münster mit dem Kreativkai am Nordufer
Münster Nordufer KreativkaiBild: DW/H.Hucht

Eine frische Brise lässt die Sonnenschirme flattern, sanft kräuselt sich das türkisgrüne Wasser. Die zahlreichen Stühle und Bänke am schmucken "Kreativkai" auf der Nordseite sind fast alle besetzt. Am gegenüberliegenden Südufer dominieren der historische Entladekran - das Wahrzeichen des Hafens - und der massige Wärmespeicher der Stadtwerke das Bild. Mitten hindurch fließt der Dortmund-Ems-Kanal. Ein sonderbares Idyll, das Gestern und Heute vereint, kurz vor dem Sprung ins Morgen.

"Der Hafen ist ein Entwicklungsgebiet, das noch immenses Potenzial birgt", fasst Thomas Fastermann, Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung, den Stand der Dinge zusammen. Gut Ding will Weile haben, sagt man im Deutschen gern. Münsters 75 Hektar großer Stadthafen ist ein lebendiger Beweis dafür.

Das Ende einer Ära
Noch bis in die 1990er Jahre prangten an vielen Stellen 'Betreten verboten!‘-Schilder. Der Binnenhafen war ein trostloser Ort: verlassen, verwahrlost, nutzlos. Industriebrache im Fachjargon, in bürgerlichen Kreisen als Schmuddelviertel abgetan. Als er bald darauf endgültig seine Bestimmung als Güterumschlagplatz verlor weil Holz und Getreide statt per Schiff zunehmend per Güterzug und Speditionslaster transportiert wurden, sah es überhaupt nicht gut aus für das riesige Areal südöstlich der Innenstadt. 1899 noch feierlich von Kaiser Wilhelm II. eingeweiht, war der Hafen knapp hundert Jahre später zum Auslaufmodell geworden. Wie so viele Binnenhäfen in der ganzen Welt, bevor Revitalisierung und zeitgemäße Umnutzung ihnen ein neues Gesicht gaben.

In Münster wurde die Wende von der kreativen Szene angestoßen: kleine Verlage und Druckereien, Architekten, Grafiker und Künstler. Sie suchten und fanden in den verlassenen Kontoren und Lagerhallen am nördlichen Ufer ab Mitte der 80er und vor allem in den 90er Jahren ein neues Zuhause. Die Mieten waren niedrig, die Ansprüche mussten es anfangs ebenso sein. Gro Lühn, bildende Künstlerin mit norwegischen Wurzeln, erinnert sich: "Damals gab es in den Speichern weder fließendes Wasser noch Strom, aber massenhaft Taubendreck."

Raum für Kunst und kreatives Gewerbe
Statt große Summen in die dringliche Renovierung der alten Kästen zu investieren, rieten befreundete Statiker der Künsterlin Lühn zum Neubau. Ein Investor war schnell gefunden, doch der Rest dauerte eine gefühlte Ewigkeit. "Alles in allem vergingen sieben Jahre, bis wir endlich bauen durften", sagt Künstlerin Lühn. Die offizielle Umnutzung des Hafengebietes begann 1997, als sich Stadtwerke - als Eigentümer - und Stadtväter auf ein Konzept einigten.

2000 war es dann soweit: Im Erdgeschoss des Hafenwegs 22 eröffnete ein amerikanisch-mexikanisches Restaurant, in den Etagen darüber entstanden Atelierräume und Büros. In den denkmalgeschützten Getreidespeicher sechs Hausnummern weiter war ein Jahr zuvor der umtriebige Verleger und Kunstsammler Wolfgang Hölker mit seinem Kinderbuchverlag Coppenrath gezogen. Er gab auch die entscheidenden Impulse, im Speicher nebenan einen "Inkubator für die Kunst" zu schaffen. Seit 2004 beherbergt der fünfgeschossige Klinkerbau nicht nur die städtische Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst, sondern auch 32 Ateliers für bildende Künstler.

Es bleibt spannend
Auch Veranstalter wurden früh auf das Potenzial des Ortes aufmerksam. Bereits 1994 gründeten Thomas Pieper und Christof Bernard den Club Dockland, einen der ersten House Clubs Deutschlands. "Im Grunde genommen waren wir der Eisbrecher für die Gastronomie am Hafen", sagt Pieper. Zehn Jahre später legten die beiden nach. Auf dem Gelände eines insolventen Holzverarbeiters eröffneten sie erst einen Strandclub, das "Coconut Beach", und ein Jahr darauf den Restaurant-Club "Heaven". Beides sind jedoch nur Interimslösungen.

Denn was mit der Fläche und den angrenzenden Grundstücken geschehen soll, hat die Stadt Münster noch nicht engültig entschieden. Ein Bürgerforum diskutiert derzeit verschiedene Vorschläge. 2011 erwarben die Architekten Andreas Deilmann und Rainer Kresing einen Teil des Nordufers. Ginge es allein nach ihnen, würde darauf ein außergewöhnliches Wohnquartier entstehen, durchzogen von kleinen Kanälen. Nebenan wollen Investoren ein Einkaufszentrum bauen.

Nicht minder spannend ist, was am gegenüberliegenden Südufer passiert. Im Frühjahr hat der Umbau des Rhenus- und Flechtheimspeichers begonnen. Die Förderbänder und Maschinen des ehemaligen Getreidespeichers sind bereits abgebaut, jetzt müssen noch mehr als 50 Siloschächte weichen. Ins Erd- und Untergeschoss wird das Wolfgang-Borchert-Theater einziehen. Die oberen Etagen des markanten Gebäudes sind für Büros vorgesehen. Mit Spannung wird für 2014 außerdem die neue Produktionsstätte einer Bio-Käserei erwartet, samt gläsernem Showroom. Lauter schöne Aussichten - besonders für die Flaneure und Gäste am Kreativkai gegenüber.

Der Coconut Beach auf dem Osmo-Gelände.
Beliebte Interimslösung: der Coconut BeachBild: DW/H.Hucht
Die bildende Künstlerin Gro Lühn in ihrem Atelier im Hafen.
Künstlerin Gro Lühn in ihrem Atelier im HafenBild: DW/H.Hucht
Motiv DW_Historie Am Kreativkai konkurriert Historisches mit Provisorischem: Blick auf die Osmo-Hallen.
Ein Blick auf die Osmo-HallenBild: DW/H.Hucht
Infografik Ein paar Fakten zu Münster