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Müntefering bereit zum Rücktritt

28. September 2009

Union und FDP haben es eilig mit der Koalition, die Sozialdemokraten lecken ihre Wunden. Die Frage des Tages nach der Wahl: Schmeißt SPD-Chef Müntefering hin? Die Liberalen demonstrierten ihr neues Selbstbewusstsein.

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Müntefering vor Mikrofonen, im Hintergrund Willy-Brandt-Denkmal (Foto: AP)
Durch Wahldebakel unter Druck: Der SPD-Vorsitzende MünteferingBild: AP

Christdemokraten und Liberale wollen nach der Bundestagswahl keine Zeit verlieren: Spätestens zum Jahrestag des Mauerfalls am 9. November soll ihre Regierungsmannschaft stehen.

Bei den Feiern am 9. November würde sie "gerne die vielen europäischen Staats- und Regierungschefs und die vielen anderen Gäste mit einer neuen Regierung begrüßen", verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag (28.09.2009) in Berlin.

Merkel und Westerwelle mit Handschlag (Foto: AP)
Seit langem per Du: Merkel empfing Westerwelle zu ersten Vorgesprächen im KanzleramtBild: AP

Kurz danach steckten die CDU-Chefin und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle im Kanzleramt den Rahmen für die Gespräche ab. "Spätestens in der nächsten Woche", so verlautete, sollen die Verhandlungen beginnen und in einem Monat der Koalitionsvertrag unter Dach und Fach sein.

Müntefering macht Weg frei

Ungleich spannender erschienen da die Meldungen aus dem Berliner Willy-Brandt-Haus und der Fraktion der Sozialdemokraten. SPD-Chef Franz Müntefering deutete nach dem Wahldebakel seiner Partei erstmals die Bereitschaft für einen Rückzug von der Parteispitze an.

Müntefering sagte nach Sitzungen der Parteigremien, die SPD werde bis zur "übernächsten Woche" ein endgültiges Personaltableau vorlegen. Zu Spekulationen über seinen Abschied vom SPD-Vorsitz sagte der 69-Jährige, dies sei "nah an der Wahrheit". Es wird erwartet, dass er auf dem Parteitag Mitte November in Dresden nicht mehr antreten wird. Auf die Frage, ob er sich den gescheiterten Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier in einer Doppelrolle als Fraktions- und Parteichef vorstellen könne, antwortete Müntefering, dies wäre für ihn "sofort akzeptabel".

Führende SPD-Politiker, darunter Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, forderten einen Neuanfang und einen neuen Umgang mit der Linkspartei. Dieses "Tabu" müsse weg, das mache "keinen Sinn mehr". Die SPD hatte am Sonntag ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis nach dem Zweiten Weltkrieg eingefahren.

CDU-Chefin: Kompromissbereitschaft hat Grenzen

Regierungschefin Merkel nannte vor der Presse als erste Aufgaben des neuen schwarz-gelben Kabinetts den Haushalt 2010, Gespräche mit den Ländern über eine Erhöhung der Bildungsausgaben und den Dialog mit Gewerkschaften und Unternehmern sowie anderen gesellschaftlichen Gruppen. Sie wolle in dem Bündnis mit den Liberalen auf ein soziales Gleichgewicht in der Marktwirtschaft achten. Merkel versprach, die anziehende Konjunktur nicht mit einem Sparkurs zu gefährden.

An den Mindestlohnvereinbarungen der großen Koalition mit der SPD will sie nicht rütteln. Zudem stellte die CDU-Vorsitzende klar: "Ich sage Ihnen auch, dass die Grundstruktur des Gesundheitsfonds aus meiner Sicht nicht angetastet wird." Die FDP lehnt den Fonds ab und glaubt sich auch durch das Wahlergebnis in ihrem Widerstand bestätigt.

FDP sieht sich in Position der Stärke

Die FDP kündigte harte Koalitionsverhandlungen an. "Durchsetzungsfähiger" und "hartnäckiger" als die Sozialdemokraten, so das mehrfach zum Ausdruck gebrachte neue Selbstbewusstsein der Liberalen. Westerwelle versicherte aber, trotz des Rekordergebnisses von 14,6 Prozent werde man "nicht abheben". Deutlich wurden die Schwerpunkte Äußeres, Bildung, Justiz, sowie Steuern und Finanzen. Der Parteichef lehnte es aber ab, über die damit verbundenen Posten und Ämter im künftigen Kabinett zu spekulieren. Er wird als neuer Außenminister gehandelt.

Hoffnungen der Unternehmen und Banken

DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann (Foto: AP)
DIHK-Präsident Driftmann dringt nach Ende der großen Koalition auf "Korrekturen"Bild: AP

Die Erwartungen der Wirtschaft an die neue Bundesregierung sind trotz leerer Kassen groß, die Unternehmen zeigten sich erleichtert. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) forderte Korrekturen beim Kündigungsschutz und bei der Krankenversicherung, vor allem aber bei der Unternehmens- und der Erbschaftssteuer. Das Wahlergebnis sei ein "deutliches Votum für eine mutige Reformpolitik", so DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann. BDI-Präsident Hans-Peter Keitel sagte, gemeinsam mit der neuen Koalition wolle man die Potenziale für Steuersenkungen ausloten. Die Banken hofften auf nicht zu strenge Regeln bei Boni und Eigenkapital.

Aber es gibt auch deutliche Warnungen: Die Gewerkschaften verlangten, dass es nicht zu einem Kahlschlag bei Jobs und Änderungen beim Kündigungsschutz kommt. Umweltschützer bangen um den Klimaschutz und fürchten ein Comeback der Atomkraft. (SC/gri/afp/rtr/dpa/ap)