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Kirchen als Global Player

Christoph Strack6. Februar 2013

Religion als Zankapfel? Religion als Friedensschance? Welche Rolle spielt die Religion auf der globalen politischen Bühne? Antworten suchten - und fanden - Politikwissenschaftler auf einer Tagung in Frankfurt.

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United Nations HQ & Trump Tower #14088719 © Robsen - Fotolia.com
Die Religionen prägen zunehmend das Bild der Vereinten Nationen in New YorkBild: Robsen/Fotolia

Immer mehr religiöse Nichtregierungsorganisationen engagieren sich bei den Vereinten Nationen und bekommen einen Beraterstatus. Politikwissenschaftler sehen dafür gute Gründe. Denn viele Herausforderungen der Gegenwart seien von den Staaten allein überhaupt nicht zu bewältigen. Internationale Kampagnen wie etwa das Verbot von Landminen oder die Millenniumsziele zur Armutsbekämpfung gehen auf kirchliche Kampagnen zurück.

Die Heidelberger Politikwissenschaftlerin Ines-Jacqueline Werkner sieht eine Renaissance und Deprivatisierung von Religion und Religionen, die breite Auswirkungen in die Politik habe. „Religion kann im Kontext von Globalisierung und global governance eine zentrale Rolle spielen - als transnationaler Akteur einer globalen Zivilgesellschaft“, sagte sie bei einer Tagung von Politikwissenschaftlern und der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt. Die Schwäche einzelner Staaten sei da zugleich die Stärke der religiösen Akteure. Deren Einfluss nehme auf globaler Ebene zu - sei es als Berater, in einer Wächterrolle oder auch als kritisches Korrektiv.

Welche Rolle spielt das Thema Religion in der internationalen Politik? Natürlich fällt rasch die Jahreszahl 2001 mit den Terroranschlägen islamistischer Fundamentalisten in New York und Washington. Doch warnen die Wissenschaftler davor, beim Aspekt „Religion als Konfliktpotenzial“ stehen zu bleiben.

Dr. Claudia Baumgart-Ochse Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Mitglied des Vorstands, Wissenschaftliche Mitarbeiterin PB: Private Akteure im transnationalen Raum Pressebild zum Download
Religion ist selten Ursache internationer Konflikte, meint die Politologin Dr. Claudia Baumgart-OchseBild: HSFK

Religiöse Aufladung

Denn die Rolle von Religion, so Claudia Baumgart-Ochse, Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), sei ambivalent. Nur „ganz selten“ sei sie die eigentliche Ursache von Konflikten; vielmehr würden Kämpfe um Macht, um soziale Nöte oder ökonomische Ungleichheit von interessierter Seite religiös aufgeladen. Frau Baumgart-Ochse erinnert an das Aufsehen, das etwa entsteht, wenn Vertreter des Vatikan sich bei UN-Weltbevölkerungskonferenzen gemeinsam mit islamischen Ländern gegen Frauenrechte engagieren. Solche konservativen Beiträge dürften nicht ablenken vom Eintreten religiöser Gruppierungen für Menschenrechte, Armutsbekämpfung oder Umweltschutz. Weltweite Dynamik löste beispielsweise das Engagement der Kirchen für einen Schuldenerlass zum Jahr 2000 zugunsten der ärmsten Länder der Erde aus. Auch die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs sei religiösen Lobbyisten mit zu verdanken.

Nach Einschätzung Baumgart-Ochses, die derzeit das Engagement religiöser Organisationen bei den Vereinten Nationen untersucht, wurde es in den 1990-er Jahren zum Trend, „dass Staaten merken, sie können Politik nicht mehr alleine regeln“. Viele anstehende Aufgaben überschritten die Kompetenzen und Kräfte der Nationalstaaten, sei es bei Klimawandel, Migration, Armut oder Terrorismus. Dies lies den Einfluss großer Organisationen wie amnesty international oder Greenpeace wachsen - aber auch der Religionen. Denn gerade ihre Strukturen erlauben es, grundlegende Botschaften weltweit zu den Menschen zu bringen. Beispielsweise galt – schon in Zeiten vor Internet und Twitter - die katholische Kirche als der erste „global player“ überhaupt mit weltweiter Vernetzung.

Mönche zwischen Diplomaten

„Die Vereinten Nationen haben sich in den letzten Jahren stark geöffnet für religiöse Akteure“, bilanziert Baumgart-Ochse. So lade der UN-Weltsicherheitsrat zu Briefings heute auch Experten des Ökumenischen Rats der Kirchen. Und Kofi Annan, UN-Generalsekretär von 1997 bis 2006, betonte in diversen Reden, dass eben nicht nur die übliche elegante Kleidung von  Diplomaten und Diplomatinnen, sondern auch die Gewänder buddhistischer Mönche oder christlicher Kirchenvertreter das Bild am New Yorker East River prägten. Weit stärker sind die Verflechtungen erst recht auf der Ebene diverser UN-Unterorganisationen.

Der Regensburger Politikwissenschaftler Oliver Hidalgo verweist auf einen kosmopolitischen, „vielleicht auch postpolitischen“ Anspruch der Religionen. Mit dem internationalen Engagement kehrten sie zu ihrem ursprünglich universal ausgerichteten Anspruch zurück. Aber Hidalgo, einer der Sprecher des Arbeitskreises „Politik und Religion“ der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW), mahnt die klare Trennung an. Und er erinnert daran: Auch Religionen agierten auf internationaler Ebene nicht altruistisch, sondern als „politische Spieler unter anderen“. Politik und Religionen müssten deshalb Arrangements finden.

A Rai Uno Italian TV grab shows Pope Benedict XVI while he launches a a seven-day, non-stop Bible reading marathon, on 05 October 2008. The pope read for several minutes from the start of the Book of Genesis live from his apartments in the Vatican while other speakers read in the Basilica of Holy Cross in Rome. In the next seven days and six nights, more than 1,200 people will read from the Bible until all 73 books of the Catholic edition are read. EPA/RAI UNO EDITORIAL USE ONLY +++(c) dpa - Report+++
Vertritt den kosmopolitischen Anspruch der katholischen Kirche: Papst Benedikt XVI.Bild: picture-alliance/dpa

Spirituell und sektenartig

Welche Untiefen sich da auftun können, wurde deutlich, als Experten zwei der Organisationen vorstellten, die im Umfeld der Vereinten Nationen in New York Strippen ziehen. Seit über 40 Jahren sind die „Religionen für den Frieden“, entstanden als Folge des Zweiten Weltkriegs, in New York aktiv und wollen, wie ihr langjähriger Mitarbeiter Günther Gebhardt sagte, das „spirituelle und ethische Potenzial der Religionen“ bei der UNO einbringen. Gebhardt betonte den interreligiösen Charakter dieses Engagements.

Dagegen warnte die Politik- und Islamwissenschaftlerin Katja Wöhler-Khalfallah am Beispiel der bei der UN-Kulturorganisation UNESCO tätigen Islamischen Weltliga (IWL) in drastischen Worten vor „Fundamentalisten“ im Umfeld der Weltorganisation. Die IWL pflege sektenartig einen negativen Gebrauch von Religion. Es gäbe Bezüge zu Terrorismus und zur ägyptischen Muslimbruderschaft. Wöhler-Khalfallah sprach wohl deshalb von einer „angeblichen Nichtregierungsorganisation“.

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