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Machtgerangel der Europäer

Alexander Kudascheff14. Mai 2003

Der Verfassungskonvent in Brüssel tagt öffentlich. Ein paar Spezialisten tummeln sich im Parlament, ein paar Experten jagen Detailfragen nach. Doch die europäische Öffentlichkeit ist gelangweilt und desinteressiert.

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Dabei geht es im Konvent ums Eingemachte: Es geht um die Zukunft der Europäischen Union. Es geht um ihre Machtstruktur, um ihre institutionelle Machtbalance in einem Club der 25.

Was soll die Kommission demnächst entscheiden? Wird sie die Regierung der Europäer oder degeneriert sie zu einer besseren Verwaltung? Wird jedes Land einen Kommissar stellen oder nicht? Wird der Präsident vom Parlament gewählt? Gar aus dessen Reihen? Was werden die Staats-und die Regierungschefs - der Rat also - zu entscheiden haben? Weiter einstimmig oder in vielen Fragen mit Mehrheit? Werden sie weiter ihre Geschäftsführung halbjährlich rotieren lassen oder ernennen sie einen aus ihrer Mitte für zwei und halb Jahre, um Kontinuität und Effizienz in ihre Beratungen einzuziehen? Wird damit neben dem Kommissionspräsidenten ein zweiter Machtpol geschaffen? Und braucht man ihn? Schließlich gibt es ja bereits einen - allerdings unbekannten - Generalsekretär des Rats.

Und schließlich das Parlament: Welche Machtbefugnisse soll es erhalten? Kann es endlich nicht nur die Kommission kontrollieren, sondern auch den Rat? Wie kann es in den Nationalstaaten besser demokratisch legimitiert werden? Braucht man vielleicht sogar zwei Parlamente - ein Europaparlament wie bisher und einen Kongress der Völker?

Schwierige Fragen, ohne Zweifel. Denn eins steht fest: es wird keine europäische Verfassung, sondern nur einen Verfassungsvertrag geben. Und die Nationalstaaten werden weiter wie bisher existieren. Sie werden nur Macht abgeben. Wieviel - entscheidet sich im Konvent.

Deswegen träumt der Präsident der Versammlung der 105, Frankreichs Ex-Präsident Valery Giscard d'Estaing, von einem öffentlichen Disput - zwischen ihm und seinem Gegenspieler, Kommissionspräsident Romano Prodi. Und der italienische Professor aus Bologna hat das Duell bereits angenommen. Ob es jedoch stattfindet? Eher nicht. Und das ist schade für die europäische Öffentlichkeit. Ein öffentlicher Schlagabtausch der Argumente auf höchstem Niveau - das wäre was.

Im Konvent raufen im übrigen alle miteinander: Das alte und das neue Europa, die Kleinen und die Großen, die überzeugten Parlamentarier und die überzeugten Anhänger der Macht der Regierungen.

Nur eins ist unter ihnen inzwischen wohl unumstritten: Es wird einen europäischen Außenminister geben, der sowohl im Rat als auch in der Kommission angesiedelt sein wird. Er wird die zwei Funktionen, die es bisher gab - die von Solana und von Patten - vereinigen. Er soll der dissonanten europäischen Außenpolitik eine Stimme und ein Gesicht geben. Er soll die Kakophonie der Mitgliedsländer überwinden und zum Verstummen bringen. So der nieder geschriebene Traum im Konvent.

Doch all das sollte bereits Solana, Europas Chefdiplomat. Und er ist nicht an seiner Unfähigkeit gescheitert, sondern an den Soloauftrritten der europäischen Außenminister - aus Polen wie aus England, aus Frankreich wie aus Spanien oder Deutschland. Gerade in den letzten drei Monaten hat in Europa jeder außenpolitisch gemacht, was er wollte - vor allem wenn er gerade wieder ein Papier unterschrieben hatte, das die europäische Einmütigkeit besiegelte.

Der neue außenpolitische Architekt - er wird so machtlos sein wie Solana. Nur, er wird nicht Solana heißen. Sondern? Vielleicht Fischer, denn der deutsche Außenminister gilt als der heißeste Kandidat für den neuen Posten. Nur, sollte er im europäischen Parlament gewählt werden müssen, dann müßte der Grüne Fischer europäische Konservative, Liberale und Linke von sich überzeugen. Und das gilt nicht als sehr wahrscheinlich.

Der Ausweg: Europas neuer Außenminister wird von den Staats- und Regierungschefs bestimmt. Das wäre dann allerdings eine Volte rückwärts in Sachen europäischer Demokratisierung. Immerhin: Fischer kann über das, über sein vielleicht neues Amt selber mitentscheiden. Er sitzt im Konvent.