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Machtkampf in Islamistenpartei

9. Februar 2013

In Tunesien hat Regierungschef Jebali seine Absicht bekräftigt, das Kabinett umzubilden, um eine Brücke zwischen Islamisten und Säkularen zu schlagen. Tausende Anhänger der Ennahda-Partei demonstrieren in Tunis.

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Demonstrierende Anhänger der Ennahda-Partei in Tunis
Bild: Reuters

Ministerpräsident Hamadi Jebali, der dem gemäßigten Flügel der Ennahda angehört, kündigte seinen Rücktritt für den Fall an, dass die von ihm geplante Regierungsneubildung an seiner Partei scheitern. Er werde spätestens Mitte kommender Woche eine neue Expertenregierung vorstellen, erklärte Jebali nach Angaben tunesischer Medien.

Jebali hatte am Mittwoch nach landesweiten Protesten wegen der Ermordung des Oppositionspolitikers Chokri Belaid erklärt, er wolle eine Regierung unabhängiger Experten bilden, um die innenpolitische Krise zu entschärfen. Der konservative Ennahda-Flügel um Parteichef Rachid Ghannouchi lehnt das jedoch ab. Das tunesische Parlament, in der die Islamisten-Partei die Mehrheit hat, muss laut Verfassung jedem neuen Kabinett zustimmen.

Die Ermordung von Belaid, einem scharfen Kritiker des Islamismus, hat die Gräben zwischen religiösen und säkularen Tunesiern weiter vertieft. Viele Anhänger der Opposition werfen der Ennahda vor, in den Mord verwickelt zu sein. Die Islamisten weisen dies zurück. Zugleich wurden durch die politische Krise die Spannungen zwischen dem moderaten und dem konservativen Flügel in der Regierungspartei deutlich. Nach einem Generalstreik der Opposition und den Ausschreitungen am Freitag versammelten sich am Samstag (09.02.2013) mehrere tausend Anhänger der Ennahda im Zentrum von Tunis zu einer Gegenkundgebung (Artikelbild).

Trauer und Massenproteste in Tunesien

Einige Demonstranten schwenkten schwarze Fahnen der radikalen Islamisten. Andere hatten die tunesische Flagge dabei. Die Menge skandierte Parolen wie: "Die Menschen wollen weiter Ennahda" und "Die Revolution geht weiter." Ein hochrangiger Parteifunktionär rief zu einem "Marsch der Millionen" in der nächsten Woche auf. "Kommt aus all den Moscheen am kommenden Freitag zu einem Marsch. Wir wollen eine Million Menschen", sagte Habib Ellouz, Vorstandsmitglied der Ennahda.

Am Freitag hatten Zehntausende Menschen in Tunis mit einem Trauerzug dem getöteten Belaid das letzte Geleit gegeben. Am Rande der Beisetzung war es zu schweren Ausschreitungen meist jugendlicher Demonstranten gekommen. 230 Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren seien wegen Plünderung oder Beschädigung von öffentlichen und privatem Eigentum festgenommen worden, meldete die tunesische Nachrichtenagentur TAP.

Nach dem Sturz des autoritären Machthabers Zine al-Abidine Ben Ali im Januar 2011 verlief der politische Übergangsprozess in dem nordafrikanischen Land bislang wesentlich friedlicher als etwa in Libyen oder Ägypten. Nach Einschätzung von Experten könnten die Proteste nach dem Attentat auf Belaid Tunesien auf einem demokratischen Kurs voranbringen. So sagte der Bürochef der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis, Hardy Ostry, im Norddeutschen Rundfunk: "Viele Tunesier - und das haben gestern auch die Plakate und die Rufe immer wieder gezeigt - sind jetzt auch bereit zu sagen, wir müssen der Gewalt abschwören." Diese Kräfte müssten nun einen nationalen Konsens suchen.

Der ermordete Oppositionspolitiker Chokri Belaid (Foto: dpa)
Der ermordete Oppositionspolitiker Chokri BelaidBild: picture-alliance/dpa

wl/gd (dpa, afp, rtr)