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Machtkampf in Pakistan

19. Januar 2012

Pakistans Parlament hat sich einstimmig für eine demokratische Regierungsform ausgesprochen. Die Spannungen zwischen Zivilregierung und Militär halten derweil an, und die Justiz heizt die Krise ebenfalls an.

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Präsident Asif Ali Zardari (Foto: AP)
Pakistans Präsident Asif Ali Zardari ist in einen Korruptionsskandal verstricktBild: AP

In Pakistan ist der Machtpoker zwischen dem Obersten Gerichtshof und Ministerpräsident Yousuf Raza Gilani am Donnerstag (19.01.2012) in die nächste Runde gegangen. Gilani leistete einer Vorladung der Richter Folge, um "meinen Respekt vor diesem Gericht zu zeigen", wie er erklärte. Zugleich bekräftigte Gilani seine zuvor geäußerte Ansicht, dass Präsident Asif Ali Zardari strafrechtliche Immunität genieße.

Streit um die Immunität des Präsidenten

Vorangegangen war der Vorwurf des Obersten Gerichtshofs, Gilani würde das Gericht missachten. Der Grund: Er weigere sich, Untersuchungen gegen Präsident Zardari wegen Korruptionsverdachts wieder zu eröffnen. Damit nicht genug, hat das Oberste Gericht einem engen Berater von Präsident Zardari die Anwaltslizenz entzogen, ebenfalls wegen angeblicher Missachtung des Gerichts.

Das Gericht will die Regierung in Islamabad zwingen, gegen Staatschef Zardari Korruptionsermittlungen anzustellen. Insbesondere soll Gilanis Regierung die Schweiz formell ersuchen, sich an diesen Ermittlungen zu beteiligen. Geld der pakistanischen Regierung soll auf Schweizer Konten geflossen sein. Bislang weigerte sich die Regierung in Islamabad, der Sache nachzugehen. Sie verwies auf die Immunität des Präsidenten, solange er im Amt sei.

Kritik an der Regierungspartei

Viele Pakistaner sehen die aktuelle Krise vor allem als Zusammenstoß der Institutionen, insbesondere des Militärs und des Parlaments. Unterstützer der regierenden Pakistanischen Volkspartei (PPP) sind der Ansicht, dass die Justiz, unterstützt von Pakistans allgegenwärtiger Armee und dem militärischen Geheimdienst ISI, versucht, die Vorrangstellung des Parlaments und der zivilen Demokratie zu untergraben.

Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani, abgeschitm von Polizisten (Foto: Reuters)
Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani auf dem Weg zum Obersten GerichtBild: Reuters

Kritiker der PPP dagegen halten der Zivilregierung ihre schlechte Regierungsleistung und Inkompetenz vor. Sie glauben, dass die Regierung die Korruption in den eigenen Reihen mit dem Hinweis auf die Autorität des Parlaments verschleiern wolle.

Iqbal Haider, ehemals Justizminister in der der PPP-Regierung der später ermordeten Ministerpräsidentin Benazir Bhutto, sagte gegenüber DW-WORLD.DE: "Der Kampf zwischen den Institutionen ist der vorsätzliche Versuch der Regierung, das System zu torpedieren und als politische Märtyrer aus dem Konflikt hervorzugehen." Die Regierung missachte die Entscheidungen des Obersten Gerichts absichtlich. Die gegenwärtige Führung fordere sowohl die Justiz als auch das Militär absichtlich heraus. "Das ist unüberlegt und leichtsinnig von Seiten der Machthaber", so der Ex-Minister.

"Memogate" und kein Ende

Die Regierung ist außerdem mit dem sogenannten "Memogate"-Skandal konfrontiert. Nach der Tötung Osama bin Ladens im vergangenen Mai durch ein US-Kommando tauchte ein Schreiben an die US-Regierung auf, in dem diese um Hilfe gebeten wird, einen möglichen Putsch durch das Militär zu verhindern. Die pakistanische Justiz untersucht derzeit diesen vermeintlichen Fall von "Landesverrat". Sollte die gegenwärtige Regierung als verantwortlich befunden werden, könnte sie per Gerichtsbeschluss entlassen werden, und sowohl Ministerpräsident als auch Präsident müssten mit Strafverfahren rechnen.

Ein pakistanischer Soldat kontrolliert die Straße in Larkana (Foto: AP)
Pakistan hat eine der größten Armeen der WeltBild: AP

Nach Ansicht des Politikexperten und Menschenrechtsexperten Harris Kahlique aus Islamabad versuchen bestimmte Gruppierungen, aus dem Hintergrund heraus die Zivilregierung zu torpedieren. "Beim geplanten Sturz der Regierung geht es nicht um Korruption und Inkompetenz, es geht um einen Machtkampf zwischen den Institutionen, um die Frage, wer letztlich das Sagen hat in Pakistan", so Khalique gegenüber DW-WORLD.DE.

"Immer, wenn die PPP an die Macht kommt, läuft aus verschiedenen Richtungen die Propagandamaschinerie an. Die Leitmedien in Urdu und Englisch lassen jegliche Ausgewogenheit vermissen, wenn es um die Erfolge des Parlaments geht, das schließlich aus allen politischen Parteien besteht."

Beziehungen zu USA am Tiefpunkt

Dem pakistanischen Menschenrechtsaktivisten Abdul Hai zufolge ist eine liberale Partei wie die PPP, die auch noch als vergleichsweise pro-amerikanisch angesehen wird, den Militärs des Landes ein Dorn im Auge. Das gilt insbesondere zum jetzigen Zeitpunkt, da die pakistanisch-amerikanischen Beziehungen sich an einem Tiefpunkt befinden.

Die USA beschuldigen den pakistanischen militärischen Geheimdienst ISI, den Taliban Rückhalt und Al-Kaida-Kämpfern Zuflucht in den unruhigen Stammesgebieten im Nordwesten zu gewähren, beides mit dem Ziel einer Destabilisierung Afghanistans. Im vergangenen Jahr blockierte Pakistan NATO-Transporte, die mit Hilfsgütern in Richtung Afghanistan unterwegs waren, als Vergeltung für einen Luftangriff im Grenzgebiet bei dem 24 pakistanische Soldaten getötet wurden. Ein Besuch des US-Sondergesandten wurde gerade von pakistanischer Seite abgesagt.

Autor: Shamil Shams (afp)
Redaktion: Hans Spross/Marion Linnenbrink