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Machtkampf in Sri Lanka

Thomas Kohlmann20. November 2003

In Sri Lanka ist das Parlament am Mittwoch (19.11.) zum ersten Mal nach seiner Auflösung wieder zusammengetreten. Der Parlamentspräsident erhob schwere Vorwürfe gegen die Staatsführung.

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Regierungssoldaten auf den Straßen ColombosBild: AP

Bei der ersten Parlamentssitzung in Sri Lanka seit Beginn der jüngsten Staatskrise am 5. November 2003 hat Parlamentspräsident Joseph Michael Perera schwere Vorwürfe gegen die Staatsspitze erhoben. Die von Präsidentin Chandrika Kumaratunga Anfang November angeordnete vorübergehende Parlamentsauflösung sei undemokratisch und illegal gewesen. Perera warf der Präsidentin Machtmissbrauch vor und kritisierte, sie habe den umstrittenen Schritt "ohne stichhaltigen Grund und gegen den Wunsch des Parlaments" unternommen.

Perera forderte das Parlament auf, Regelungen zu erlassen, um bei künftigen Suspendierungen auf Wunsch der Mehrheit der Abgeordneten trotzdem zusammentreten zu können. Perera gehört der Vereinten Nationalen Front (UNF) von Ministerpräsident Ranil Wickramasinghe an, die im Parlament in Colombo die Mehrheit stellt.

Entspannung trotz Drohgebärden

Was wie eine Kampfansage des Parlamentspräsidenten wirkte, war nach Einschätzung des Sri-Lanka-Experten Christian Wagner eher der Versuch Pereras, sein Gesicht zu wahren: "Wir haben in Sri Lanka ein klassisches Präsidialsystem nach französischem Vorbild, in dem es das gute Recht der Präsidentin ist, das Parlament aufzulösen." Der Sri-Lanka-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, geht eher davon aus, dass die Zeichen im Machtkampf zwischen Staatspräsidentin und Regierung auf Entspannung stehen: "Es wird jetzt diskutiert, eine gemeinsame Kommission für den weiteren Friedensprozess ins Leben zu rufen. Das könnte sogar auf eine große Koalition hinauslaufen." Falls die Bemühungen von Präsidentin Kumaratunga, eine Regierungsbeteiligung für ihre Partei zu erreichen, aber fehlschlagen, dann könnten schon bald Neuwahlen auf der Tagesordnung stehen, meint Wagner.

Die Präsidentin hatte das Parlament während einer USA-Reise Wickramasinghes aufgelöst und die Kontrolle über das Verteidigungsministerium übernommen. Wegen der angeblich zu nachgiebigen Politik Wickremesinghes gegenüber den tamilischen Rebellen hatte die Präsidentin darüber hinaus am 4. November drei Minister suspendiert und den Ausnahmezustand verhängt. Kumaratungas Partei ist im Parlament in der Opposition.

Wegen der Krise hatte die Regierung die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit den Tamilen-Rebellen auf unbestimmte Zeit verschoben. Norwegen hatte daraufhin seine Vermittlerrolle im Friedensprozess vorübergehend niedergelegt. Nach 20 Jahren Krieg zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Mehrheit herrscht seit rund zwei Jahren ein von Norwegen vermittelter Waffenstillstand. Der Kampf der LTTE, der "Befreiungstiger von Tamil Eelam", für einen eigenen Tamilen-Staat hat fast 70.000 Menschen das Leben gekostet.

Dass die zerstrittenen Parteien wieder miteinander reden, hat nicht zuletzt finanzielle Gründe, glaubt Christian Wagner: "Bei der internationalen Geberkonferenz im vergangenen Sommer in Tokio wurden 4,5 Milliarden Dollar bereitgestellt, die Sri Lanka bis 2006 zur Verfügung stehen. Die 50 in der japanischen Hauptstadt versammelten Staaten und mehr als 20 internationalen Organisationen waren aber so schlau, die Milliarden-Hilfe an das Gelingen des Friedensprozesses zu koppeln."