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Machtspiele im Angesicht der Katastrophe

Rodion Ebbighausen14. November 2013

Aus aller Welt kommt Hilfe, um den Philippinen nach dem Taifun beizustehen. Nur China hält sich zurück. Das Zögern der Volksrepublik hat einen politischen Hintergrund.

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Ein US-amerikanischer Blackhawk Hubschrauber bringt Wasser und Lebensmittel ins Katastrophengebiet (Foto: EPA/RITCHIE TONGO)
Bild: picture-alliance/dpa

Am sechsten Tag nach der Naturkatastrophe auf den Philippinen ist die internationale Hilfsbereitschaft groß: Die Europäische Union stellt 13 Millionen Euro bereit, Japan rund 7,5 Millionen und die USA fast 15 Millionen. Darüber hinaus entsenden die USA den Flugzeugträger USS George Washington samt Begleitschiffen, mit etwa 5.000 Soldaten, Hubschrauber und Transportmaschinen.

Im Gegensatz dazu hatte die Regierung der Volksrepublik China anfänglich nur 75.000 Euro Hilfe zugesagt, zuzüglich eines gleich hohen Betrags vom chinesischen Roten Kreuz. Nach Kritik wurde die Hilfe für die Philippinen auf 1,2 Millionen Euro aufgestockt - zu spät, wie viele Experten meinen.

Rivalität auch im Katastrophenfall

Die zögerliche Haltung Chinas hat eine politische Vorgeschichte. Seit Jahren streitet die Volksrepublik China mit den Philippinen und anderen Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres um Hoheitsansprüche. Es geht dabei um verschiedene Inselgruppen, Fischereigründe, Handelswege und vor allem große Mengen an Rohstoffen, die unter dem Meeresboden vermutet werden.

Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Streit, als die Philippinen die Auseinandersetzungen um das vor der Küste der Philippinen liegende Scarborough Riff im Januar 2013 dem UN-Tribunal für das Internationale Seerecht übergeben haben. Ein Urteil wäre nicht vollstreckbar, aber der Imageschaden für China groß. China lehnt eine internationale Lösung kategorisch ab und besteht auf bilateralen Verhandlungen. Chinas Strategie zielt darauf ab, eine Internationalisierung des Konflikts zu vermeiden und einen Keil zwischen die Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres zu treiben, die alle Mitglied im Verband südostasiatischer Nationen (ASEAN) sind.

Philippinische und chinesische Streitkräfte belauern sich in den umstrittenen Seegebieten (Foto: REUTERS/Philippine Army Handout/Files)
Philippinische und chinesische Streitkräfte belauern sich in den umstrittenen SeegebietenBild: Reuters

Insbesondere die Philippinen hatte China dabei in letzter Zeit im Visier, wie Gerhard Will, Südostasien-Fachmann von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Interview mit der Deutschen Welle erklärt: "Die Volksrepublik China hat sehr große Anstrengungen unternommen, um die Philippinen in der ASEAN zu isolieren. Sie pflegt mit allen Staaten der ASEAN gute, zum Teil sehr gute Beziehungen, macht große Angebote, lässt dabei aber die Philippinen außen vor." Aufgrund dieser feindseligen Haltung habe sich die Volksrepublik jetzt auch nur sehr zögerlich und in geringem Maße zur Hilfe entschlossen.

Die Verweigerungshaltung erstreckt sich nicht nur auf die Regierung der Volksrepublik, sondern auch auf Teile der Bevölkerung. Die Regierung von Hongkong habe umgerechnet 3,8 Millionen Euro spenden wollen, aber viel Hongkonger seine dagegen gewesen, wie der Gründer des Shenzhen Sozialforschungsinstitut Liu Kaiming im Interview mit der Deutschen Welle berichtet. Zu präsent sei die Geislnahme von chinesischen Touristen 2010 in Manila, bei deren Befreiung acht Touristen aus Hongkong getötet wurden. In den sozialen Medien Chinas sind zwei Drittel der Menschen gegen eine Hilfe für die Philippinen.

China verspielt Chance

Die Verweigerungshaltung könnte China teuer zu stehen kommen, obwohl es erst vor kurzem in Südostasien gepunktet hatte. Anfang Oktober hatte US-Präsident Obama seine Teilnahme am APEC-Gipfel in Bali und am ASEAN-Treffen in Bandar Seri Begawan wegen des Haushaltsstreits in den USA abgesagt. Chinas Präsident Xi Jinping ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und erklärte in seiner Grundsatzrede: "China kann sich isoliert von Asien-Pazifik nicht entwickeln, und die Region kann ohne China nicht vorankommen." Will fasst zusammen: "China war ja in den letzten Monaten gerade in Südostasien sehr stark vertreten, weil die USA so schwach vertreten waren." Obamas Fernbleiben wurde in der chinesischen Presse ausgeschlachtet: "Hier seht ihr, dass die USA nicht in der Lage sind, wirklich eine tragende Rolle in der Region zu spielen. Diejenigen, die diese tragende Rolle spielen können, sind wir, die Chinesen."

Von l.n.r.: Chinas Präsident Xi Jinping, Mexikos Präsident Felipe Calderon, Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, Neuseelands Prmierminister John Key, Russlands Präsident Vladimir Putin und Präsident Benigno Aquino der Philippinen (Foto: REUTERS/Beawiharta)
Obama fehlte auf dem APEC-GipfelBild: Reuters

Mit den Ereignissen auf den Philippinen, der entschlossenen Hilfe der Amerikaner und den zögernde Chinesen haben sich die Zeichen nun wieder umgekehrt. Will meint: "Insgesamt ist die Sache zu Ungunsten der Volksrepublik China ausgegangen. Die USA haben diese Gelegenheit entschlossen und tatkräftig genutzt, um sich in der Region wieder stärker zu profilieren." Li Dun von der Qinghua Universität bedauert das Vorgehen Chinas, das dem neuen Nationalismus geschuldet sei: "Vor dem Nationalismus muss man warnen, weil er unsere 30jährigen Anstrengungen, in die internationale Gemeinschaft zurückzukehren gefährdet."

Liu Kaiming will die Politik ganz heraushalten: "Ich bin der Meinung, man muss die Politik von der humanitären Hilfe unterscheiden."