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Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen

14. Juli 2010

SPD und Grüne haben Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen durchgesetzt. Für Kanzlerin Merkel und ihre Koalition von Union und FDP wird ohne Mehrheit im Bundesrat das Regieren noch schwerer.

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Hannelore Kraft legt den Amtseid ab (Foto: AP)
Hannelore Kraft legt im Landtag den Amtseid als neue Regierungschefin abBild: AP

Im zweiten Wahlgang reichte die einfache Mehrheit: Gut neun Wochen nach der Landtagswahl wurde am Mittwoch (14.07.2010) die SPD-Politikerin Hannelore Kraft zur Regierungschefin Nordrhein-Westfalens gewählt. Mit "Ja" stimmten in Düsseldorf schließlich 90 Abgeordnete, mit "Nein" 80. Die Fraktion der Linkspartei hatte ihre Enthaltung angekündigt.

Die Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann (links) gratuliert der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft (Foto: AP)
Die Grünen-Fraktionschefin Löhrmann (links) gratuliert der SPD-Landesvorsitzenden KraftBild: AP

Die 49-jährige Kraft löst damit den zuletzt nur noch geschäftsführenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers von der CDU ab. Sie wird ein Minderheitskabinett von Sozialdemokraten und Grünen führen. Schon im Vorfeld hatten diese an die anderen Parteien appelliert, sich den Reformprojekten der neuen Minderheitsregierung nicht zu verschließen.

Erwartungsgemäß kritisierten CDU, CSU und FDP die Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen heftig. Die Generalsekretäre der drei Parteien warfen bei einem gemeinsamen Auftritt in Berlin der neuen Ministerpräsidentin insbesondere vor, dass sich die SPD-Politikerin von der Linkspartei tolerieren lassen wolle. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warnte zugleich vor einem finanziellen Kollaps in Nordrhein-Westfalen, weil SPD und Grüne neue Schulden machen wollen.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hielt Hannelore Kraft vor, einen Verfassungsbruch anzusteuern, weil mit der geplanten Neuverschuldung die im Grundgesetz vorgegebene Schuldenbremse nicht einzuhalten sei. Sein FDP-Kollege Christian Lindner sprach von einer "griechischen Verschuldungspolitik" in Düsseldorf.

"Probelauf" für Rot-Rot-Grün im Bund?

Kommentatoren hatten nicht ausgeschlossen, dass die Wende im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland auch wegweisende Momente für die Bundespolitik der nächsten Jahre haben könnte. SPD und Grüne hoffen auf eine Aufbruchstimmung und neue Impulse durch die Regierungsübernahme in Düsseldorf. Von einem Signal für eine intensivere Kooperation mit der Linkspartei wollte man jedoch nicht sprechen. Politiker der schwarz-gelben Koalition gaben sich demonstrativ zuversichtlich, dass der "Probelauf" für Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün im Bund scheitern werde.

Jürgen Rüttgers von hinten, mit Aktenordner (Foto: dpa)
Abschied von Regierungs- und Parteiämtern: Jürgen RüttgersBild: picture alliance / dpa

Der abgewählte Ministerpräsident Rüttgers hatte bereits als Konsequenz der bitteren Niederlage bei den Landtagswahlen und seinem erfolglosen Werben um eine große Koalition mit der SPD auch den Verzicht auf seine Parteiämter bekanntgegeben.

Mit dem Wechsel zu Rot-Grün an Rhein und Ruhr verlieren Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre bürgerlich-liberale Koalition in Berlin die Mehrheit in der Länderkammer, dem Bundesrat. Die Spitzen der Opposition von Sozialdemokraten und Grünen haben bereits angedroht, dies zum Widerstand in zentralen Vorhaben nutzen zu wollen, oder zumindest als "soziales Korrektiv".

Blockademacht im Bundesrat

Merkel antwortete jetzt forsch, man werde die Blockademacht im Bundesrat brechen. "Die christlich-liberale Koalition wird wichtige Gesetze umsetzen können, wie zum Beispiel fast das ganze Zukunftspaket für solide Finanzen und die Gesundheitsreform. Dafür brauchen wir keine Mehrheit im Bundesrat", gab sich die CDU-Chefin in einem Interview der "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe) kämpferisch. Bei anderen Themen werde die Regierung auf die Länder zugehen und auf die Vernunft einiger setzen, so Merkel.

Ihr Vize, der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle, schlug in die gleiche Kerbe. Im Streit um eine Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke, gegen die SPD und Grüne Sturm laufen, hält er eine Umgehung des Bundesrats für möglich. Auch der rot-grüne Kompromiss über den Atomausstieg sei damals ohne die Länderkammer zustande gekommen, sagte der Außenminister dem "Hamburger Abendblatt".

Autor: Siegfried Scheithauer (mit afp, ap)
Redaktion: Oliver Samson / Reinhard Kleber