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Politik

Noch viel Wasser im französischen Wein

Robert Schwartz
25. August 2017

In Mittel- und Osteuropa hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für tiefgreifende Maßnahmen gegen Lohndumping in der Europäischen Union geworben. Einen Blankoscheck für seine Reformvorschläge bekommt er dabei nicht.

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Emmanuel Macron in Österreich
Bild: Reuters/H-P.Bader

Was noch in Salzburg wie ein leichtes Spiel für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron aussah, entpuppte sich anschließend in Bukarest und Warna doch noch zu einer komplizierten Angelegenheit. 

In Österreich war Macron mit Bundeskanzler Christian Kern am Mittwoch schnell übereingekommen, gemeinsam gegen Lohndumping in der EU vorzugehen. Unterstützung für die umstrittene Reform der EU-Entsenderichtlinie hatten bei dem Vierer-Treffen in Salzburg auch die Slowakei und Tschechien zugesagt. Der slowakische Premierminister Robert Fico wies aber vorsichtig darauf hin, dass sich auch Ungarn und vor allem Polen, das besonders viele Arbeitnehmer in andere EU-Länder schickt, einer europäischen Einigung anschließen müssten. Damit traf er den Nagel auf den Kopf. Zum einen müssen alle Mitgliedsstaaten den Reformen zustimmen. Zum anderen wird Fico wohl gewusst haben, dass sich Polen auch weiterhin weigern würde, ein Reformpaket zu akzeptieren, das sich, so die polnische Premierministerin Beata Szydlo, gegen die Interessen der eigenen Arbeitnehmer richtet. 

Osteuropa tickt anders

Und die erneute Weigerung aus Warschau kam dann auch tatsächlich noch während des Treffens von Macron mit dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis in Bukarest am Donnerstag. Polen werde seine Haltung in dieser Angelegenheit nicht ändern und sie bis zum Schluss verteidigen, sagte Szydlo vor der Presse in der polnischen Hauptstadt. Und löste damit ein Gewitter aus, das sich voraussichtlich bis zum nächsten EU-Sozialgipfel im Oktober nicht legen wird.

Frankreich Rumänien Macron zum Besuch in Bukarest
Macron in Bukarest: "Wollen Sie, dass dierumänischen Gehälter dauerhaft unter einem Drittel der französischenLöhne bleiben?"Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Ghirda

In Bukarest und am nächsten Tag in Warna sah die Unterstützung für Macrons Vorstoß auch nicht so klar aus wie offensichtlich erwartet. Sowohl Iohannis als auch der bulgarische Präsident Rumen Radew sagten ihrem französischen Amtskollegen zwar zu, bei der Beseitigung des Sozial- und Lohndumpings innerhalb der EU verstärkt zusammenarbeiten zu wollen. Allerdings verwiesen sie auf die Rechte der Arbeitnehmer und der Firmen, die sich im freien europäischen Wettbewerb behaupten müssten.

Macron zu Kompromissen bereit 

Macron ist sich durchaus der Brisanz dieses Themas bewusst. Um eine auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel getragene Reform des europäischen Arbeitsmarkts schnell umzusetzen, ist er zu Kompromissen bereit. So bot er seinen rumänischen und bulgarischen Gesprächspartnern quasi im Gegenzug Unterstützung bei den Verhandlungen um einen Schengen-Beitritt beider Länder an.

Spätestens seit diesem Kurzbesuch in Osteuropa muss Macron erkennen, dass seine Lesart des "europäischen Geistes" doch einseitig ist. Die Zahl der entsendeten Arbeiter innerhalb der EU liegt mit knapp unter einem Prozent der europäischen Arbeitnehmer insgesamt in einem mehr als überschaubaren Bereich. Sie für die Arbeitslosigkeit in Frankreich verantwortlich zu machen, ist ein zu durchsichtiger Versuch, von den langjährigen strukturellen Problemen in seinem Land abzulenken. Außerdem scheint Macron bewusst zu vergessen, dass französische Handelsketten wie Carrefour oder Auchan in Osteuropa die lokalen und viel schwächeren Anbieter fast vollständig vom Markt verdrängt haben. So sind die Spielregeln des freien europäischen Wirtschaftsraums, von denen auch französische Unternehmen voll profitieren. Den Arbeitsmarkt in der EU durch protektionistische Maßnahmen zu "reformieren" wäre das denkbar schlechteste Signal, um den "europäischen Geist" zu retten.

Aus Osteuropa entsandte Bauarbeiter erhalten in westeuropäischen EU-Ländern oft nur einen Bruchteil des Lohns ihrer Kollegen.
Osteuropäische Bauarbeiter werden in westeuropäischen EU-Ländern oft schlechter bezahltBild: picture-alliance/Sven Simon

Kein Konsens in Sicht

Zurück zur EU-Entsenderichtlinie: Dass Macron im bulgarischen Warna völlig verärgert auf die Haltung Polens in dieser Angelegenheit reagiert hat, ist verständlich. Sicherlich hat er Recht, wenn er sagt, dass Polen nicht das Land sei, das "die Richtung vorgibt, in die Europa sich entwickelt". 

Frankreich allein wird die Richtung auch nicht vorgeben können. Die EU muss gemeinsam Mittel und Wege finden, um das soziale und wirtschaftliche Gefälle innerhalb der Gemeinschaft spürbar zu verringern. Die Spritztour des französischen Präsidenten nach Mittel- und Osteuropa wird mit Sicherheit Bewegung in die festgefahrenen Diskussionen bringen. Doch noch ist ziemlich viel Wasser im französischen Wein. Macrons Wunsch, die Reform der Entsenderichtlinie bis Ende des Jahres in trockenen Tüchern zu haben, liegt nach wie vor in weiter Ferne.