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Politik

Madrid fordert Klarheit von Katalonien

Stefanie Claudia Müller
11. Oktober 2017

Mit Separatisten wird nicht geredet - oder doch? Nach einer Dringlichkeitssitzung des spanischen Kabinetts erklärte Ministerpräsident Rajoy: (Noch) nichts überstürzen. Aus Madrid berichtet Stefanie Claudia Müller.

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Spanien PK Mariano Rajoy zu Katalonien
Schießt den Ball zurück ins katalanische Feld: Ministerpräsident Mariano RajoyBild: Reuters/S. Perez

Die spanische Regierung ist sich wohl nicht sicher, ob der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont nun die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien erklärt hat oder nicht. In einer Presseerklärung forderte Ministerpräsident Mariano Rajoy eine formelle Erklärung aus Barcelona. Nachfragen ließ er nicht zu - weitere Erläuterungen kommen möglicherweise in seiner Rede am Nachmittag vor dem Parlament.

Auf den Straßen Madrids ist die Erklärung Puigdemonts vom Dienstagabend offenbar eindeutig herüber gekommen: Claudio Martinez ist fast ein wenig enttäuscht, dass Puigdemont die "katalanische Republik" doch nicht ausgerufen hat: "Ich hätte ihn und seine Leute gestern am liebsten im Gefängnis gesehen, diese ganze Bande von Lügnern und Separatisten." Puigdemont hatte zwar eine Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, diese aber sofort für ausgesetzt erklärt. Hätte er die Unabhängigkeit ausgerufen, so wäre er nach Meinung von Martínez, direkt festgenommen worden. Die Spanien-Flagge hat der Madrilene schon seit Wochen aus dem Fenster hängen, sein Glaube an die Stärke des spanischen Staates hat nicht versagt in diesen Tagen, er ist auf der Seite der Guardia Civil und Nationalpolizei.

Martínez trägt das Spanien-Armbändchen in den Nationalfarben rot und Orange, was für viele Republik-Anhänger ein Zeichen von Faschismus ist. "Traurig eigentlich. Wir tragen in Spanien US-Flaggen mit Stolz auf unserem Pulli oder T-Shirt, aber unsere eigene können wir nicht ohne Komplexe zeigen", sagt der ebenfalls in Madrid lebende Álvaro Rodríguez, der gestern die Rede von Puigdemont vor dem Fernseher verfolgt hat. Der 45-Jährige ist entsetzt: "Es ist unglaublich, dass jemand behaupten kann, dass er in unserer Demokratie unterdrückt wird, wenn das Gegenteil der Fall ist. Die Katalanen haben viel mehr Rechte als andere autonome Regionen." 

Spaniens Ur-Problem

Anders als Rodríguez boykottiert Martínez nicht nur katalanische Produkte, sondern gehört auch zu dem Teil der Spanier, die Franco insgeheim immer noch bewundern. Die Bilder vom "Caudillo" zuhause hängen haben und sich in Kreisen ihrer Freunde so ausdrücken: "Ich glaube, wir hätten viele Probleme nicht, wenn Franco noch da wäre. Das aktuelle Katalonien-Problem hätten wir sicherlich nicht." Hier knallt Nationalismus auf Nationalismus, aber beide Bewegungen, die jetzt wieder so laut werden, sind Minderheiten im demokratischen Spanien.

Dennoch: Genau diesen Teil des reichen und behäbigen Madrids, der immer noch positiv über Franco denkenden Spanier, verachten viele Katalanen, auch solche, die nicht separatistisch denken. Denn durch diese Kommentare werden sie an den Bürgerkrieg und die darauffolgende Diktatur erinnert. Unter deren Joch wollen die Katalanen nie wieder stehen. Sie erinnern sich mit Schmerzen daran, dass sie unter Franco ihre Sprache nicht sprechen durften. "Leider hat sich diese Angst der Katalanen inzwischen bei der aktuellen katalanischen Regierung in Irrationalität verwandelt und es ist eine zweite Realität entstanden", sagt Rodríguez. 

Spanien Parlamentsgebäude in Madrid
Brüllt der Löwe in Richtung Barcelona? Das spanische Parlament in Madrid.Bild: Imago/imagebroker

Aussetzung der Autonomie?

"Alle Optionen" seien auf dem Tisch, hieß es aus Regierungskreisen vor der Dringlichkeitssitzung des spanischen Kabinetts. Rajoy hat immer wieder gesagt, dass er sich nicht mit Vaterlandsverrätern und illegal handelnden Politikern an einen Tisch setzen will. Aber die regierende Volkspartei PP muss aufpassen, dass die Katalanen diese Reaktion nicht als überheblich empfinden und der trockene und wenig flexible Rajoy selbst in Frage gestellt werden könnte vom Madrider Parlament. 

Was vor den Kameras bekannt gegeben wird, muss jedoch nicht dem entsprechen, was hinter den Kulissen passiert. "In Spanien wurde immer mit Terroristen und Separatisten verhandelt, zu Zeiten von Eta schon und auch jetzt gibt es Kommunikationskanäle", sagt der in Madrid lebende politische Aktivist und Buchautor Leon Arsenal. So ist die Entscheidung Puigdemonts in letzter Minute, doch nicht die Republik auszurufen, wohl einem Gesprächsangebot aus Madrid zu verdanken. Es soll über die Möglichkeit einer spanischen Verfassungsreform gesprochen werden, die den Katalanen eingestehen würde, sich Nation zu nennen. In spanischen Medien ist allerdings heute Morgen auch von der Möglichkeit der Aussetzung der katalanischen Autonomie die Rede, das wäre die Anwendung des Artikels 155 der Verfassung.