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Makroökonomie am Herd

Lea Fauth
7. März 2017

Zum Weltfrauentag sprach DW mit Vertreterinnen der feministischen Ökonomiekritik. Die erklären, was Hausarbeit mit dem Bruttoinlandsprodukt zu tun hat, und warum sie nicht nur von Frauen erledigt werden darf.

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Moderne Hausfrau um 1960
Bild: picture-alliance/akg-images

Arbeit sei wie ein Eisberg, sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Friederike Habermann. "Da  guckt nur die Spitze hervor, und der große Teil ist unter Wasser, den sieht man nicht."

Insgesamt 89 Millionen Stunden schuften Menschen jedes Jahr in Deutschland, ohne Geld dafür zu bekommen. Das gesamte Wirtschaftssystem fußt auf diesen Arbeiten und würde ohne sie zusammenbrechen. Und trotzdem findet diese unbezahlte Arbeit weder in der Wirtschaftsforschung noch in der Politik entsprechende Aufmerksamkeit.  Es geht um sogenannte unbezahlte Sorgetätigkeiten: Putzen, Waschen, Einkaufen, Kochen, sowie das Versorgen und Betreuen von Kindern und kranken Menschen. Und weil diese Tätigkeiten nach wie vor überwiegend von Frauen wahrgenommen werden, interessiert sich auch eine spezielle Spielart der Wirtschaftswissenschaften dafür: die sogenannte feministische Ökonomie. 

"Unbezahlte Arbeit ist so viel wert, wie das, was Industrie, Handel und Dienstleistungen in Deutschland insgesamt an Werten produzieren", weiß die Politikwissenschaftlerin Christine Bauhardt von der Humboldt Universität zu Berlin. "Das heißt, wir haben es mit riesigen Größenordnungen zu tun, und nicht mit dem, was man so nebenbei als 'ein bisschen Haushalt' bezeichnet", stellt die Professorin im Gespräch mit DW klar.

Infografik Der Wert der unbezahlten Arbeit

Ein Kernanliegen der feministischen Ökonomie ist daher, die unbezahlte Arbeit sichtbar zu machen, um ihr Geltung als wirtschaftliches Schwergewicht zu verschaffen. Zwar werden immer wieder Studien erhoben, die unbezahlte Arbeit auf verschiedene Weisen zu erfassen suchen. Entweder durch die aufgewandte Zeit, oder durch die Vorstellung eines fiktiven Stundenlohns, durch den Sorgetätigkeit quantitativ mit Erwerbstätigkeit verglichen werden kann (siehe Infografik). Trotzdem werden diese Erhebungen in makroökonomischen Untersuchungen meistens ignoriert. Sorgetätigkeiten gelten als so selbstverständlich, dass sie nicht der Rede wert scheinen.

Dabei könnte man unbezahlte Arbeit zum Beispiel in der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts berücksichtigen. So schlägt es zumindest die Ökonomin Katrine Marçal in ihrem jüngsten Buch "Das einzige Geschlecht" vor. 

Dass Sorgetätigkeiten entlohnt werden, fordern hingegen die wenigsten Vertreterinnen der feministischen Ökonomie - nicht nur wegen einer schwierigen Umsetzung. "Damit würde man die Sorgetätigkeiten der Profitlogik unterwerfen", befürchtet Forscherin Habermann. Vielmehr geht es also darum, der unbezahlten Arbeit gesellschaftlichen Wert zu verleihen. 

Friederike Habermann -  Wirtschaftswissenschaftlerin und Historikerin
Friederike Habermann ist Wirtschaftswissenschafterlin und Historikerin. Bild: DW/L. Fauth

Aber: Sind Frauen heutzutage nicht sowieso fast alle berufstätig und emanzipiert? Und ist es dementsprechend nicht völlig überflüssig, von Sorgetätigkeiten als typischer Frauenarbeit zu sprechen? Zum einen zeigen die Zahlen das Gegenteil: laut Statistischem Bundesamt verrichteten Frauen im Jahr 2013 noch doppelt so viel unbezahlte Arbeit wie Männer. Anstatt dass Frauen diese Tätigkeiten aufgeben, macht die Politikwissenschaftlerin Bauhardt sich jedoch vielmehr für ein anderes Männlichkeitsideal stark. "Emanzipation bedeutet nicht, dass Frauen weniger Sorgetätigkeiten ausüben", erklärt sie ihre Sichtweise. "Es könnte ja auch einen Begriff von Emanzipation geben, nach der es heißt: Männer verrichten mehr Sorgetätigkeit."

Gerade angesichts neu erstarkender reaktionärer Tendenzen sei es wichtig, nicht zu alten Geschlechterbildern zurückzukehren. Immer noch gäbe es die Vorstellung, Frauen könnten Sorgetätigkeiten besser ausüben als Männer, weil das in ihrer Natur läge. Oder "weil sie 'monotonieresistent' seien, wie es noch in einer Untersuchung aus den 1950er Jahren über Frauen hieß", erzählt Habermann mit einem ironischen Lächeln."Mit Frauen wird assoziiert: weil sie gebären können, können sie sich besonders gut um andere Menschen kümmern", sagt auch Bauhardt. "Weder ist jedoch die rein potenzielle Gebärfähigkeit ein Indikator dafür, dass Frauen diese Arbeit besonders gut machen können, noch stellt es Männer davon frei, genau diese Kompetenzen zu erwerben."