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Man hat sich an Bush gewöhnt

Daniel Scheschkewitz19. Januar 2002

Wie hat man ihn belächelt: Vor einem Jahr galt George W. Bush als Zufallsgewinner einer Wahl, die von den Gerichten entschieden wurde, als Miniausgabe seines Vaters. Ein Kommentar von Daniel Scheschkewitz.

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Heute, ein Jahr später, lacht niemand mehr. Das hängt natürlich mit den Ereignissen des 11. Septembers zusammen, aber Präsident Bush hat selbst einiges dazu beigetragen, dass die Kritik an ihm verstummt ist und er sich Zustimmungsraten von 80 Prozent und mehr erfreut - im eigenen Land.

Auch im Ausland hat man sich an Bush gewöhnt. Seine Fähigkeit, internationale Koalitionen zu schmieden, hat ihm auch dort nach dem 11. September Respekt eingebracht. Die moslemische Welt ist nicht, wie befürchtet, zu einem aggressiven Hort des Anti-Amerikanismus geworden. Der Krieg in Afghanistan wurde mit äußerster Zurückhaltung gegenüber Leib und Leben von Zivilisten geführt, auch wenn wahrscheinlich niemals verlässliche Zahlen über die Gesamtzahl der Toten veröffentlicht werden. Im Nahen Osten hat Bush aus seinen anfänglichen Fehlern gelernt, inzwischen engagiert sich die Administration in der Region stärker, aus den gleichen Gründen, aus denen man den schwelenden indisch-pakistanischen Konflikt beilegen möchte. Das Ganze hat natürlich auch etwas mit der Wahrnehmung eigener US-Interessen zu tun. Der Kampf gegen den Terror lässt sich auf Dauer nicht gewinnen, solange die Nahostfrage nicht gelöst ist. Eine atomare Eskalation im Kaschmir-Konflikt würde die Erfolge im afghanischen US-Engagement gegen den Terror ebenso konterkarieren.

Dass Bush den ABM-Vertrag gekündigt hat, löste in Moskau weit weniger Ärger aus als befürchtet worden war. Die gute persönliche Chemie zwischen dem häufig durchaus charmanten Bush und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin dürfte dafür ebenso verantwortlich sein wie das Versprechen der USA, im Bereich der atomaren Sprengköpfe deutlich abzurüsten. Der Ausstieg aus dem Kyoto-Klimaprotokoll ist aus europäischer und globaler Sicht ein erheblicher Makel, der auch vor dem Hintergrund einer außenpolitisch durchaus positiven Zwischenbilanz kaum weniger schwer wiegt. Es bleibt allein das Versprechen, dass sich die Regierung Bush auch künftig im globalen Umweltschutz engagieren will.

Innenpolitisch fällt die Bilanz für Bush weit weniger eindeutig aus. Zwar ist es ihm gelungen, mit einem Reformgesetz für das Bildungswesen, die notorisch schlechten amerikanischen Schulen einer verbesserten Leistungskontrolle zu unterwerfen, aber von den im Wahlkampf angekündigten Gutscheinen, die es auch weniger gut betuchten Eltern erlauben sollten, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken, von denen spricht inzwischen niemand mehr.

ie geplante Privatisierung der Sozialfürsorge lässt ebenso auf sich warten. Ob Bush mit Steuernachlässen allein die anhaltende Rezession wird überwinden können, bezweifeln Wirtschaftsexperten zu Recht. Die Ankündigung des Präsidenten in den nächsten elf Jahren 1,3 Billionen US-Dollar an Steuergeldern an die privaten Haushalte zurückzugeben, könnte sich angesichts der wachsenden Zahl von Rentnern auch in den USA noch rächen. Die staatlichen Ausgaben werden in den kommenden Jahren eher wachsen, denn sinken, zumal auch der Verteidungshaushalt im langwierigen Kampf gegen den Terror mit Sicherheit nicht schrumpfen dürfte.

Bush hat also einen relativ guten Start hingelegt im Amt des Präsidenten, einen noch besseren in seiner Funktion als oberster Kriegsherr der Nation. Aber die Wegstrecke bis zu einer möglichen Wiederwahl in drei Jahren ist mit erheblichen Fallstricken gespickt. Ein gutes erstes Jahr ist ein Polster, eine Garantie für eine insgesamt erfolgreiche erste Amtszeit ist es nicht.