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Manager lernen von der Evolution

22. August 2011

Die Technik bedient sich bereits erfolgreich aus dem Fundus der Natur. Nun macht es ihr die Ökonomie nach: Beim "Evolutionsmanagement" werden Erkenntnisse genutzt, die Charles Darwin vor rund 150 Jahren gewonnen hat.

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Blühende Pflanze vor einem Bürogebäude
Bild: M.Theisling

Was hat ein Fisch mit einer SMS zu tun? Was können Manager aus dem Aussterben der Dinosaurier lernen? Welche Gemeinsamkeiten haben das Zusammenleben von Gnus und Zebras und der Wettbewerb zweier Unternehmen? Spontan würde man auf alle diese Fragen mit Unverständnis und Schulterzucken reagieren. Bei näherer Betrachtung tun sich aber durchaus Parallelen auf zwischen Prozessen in der Wirtschaftswelt und Entwicklungen in der Natur, wie sie beispielsweise Charles Darwin in seiner Evolutionstheorie beschrieben hat.

"In der Natur gibt es viele intelligente Prinzipien, von denen die Wirtschaft sich einiges abgucken kann", erklärt Frederik Fleischmann gegenüber DW-WORLD.DE. Fleischmann ist Mitarbeiter der Berliner Beratungsgesellschaft EVOCO, die sich auf Evolutionsmanagement spezialisiert hat. Damit versucht sie, eine Brücke zwischen Natur und Wirtschaft zu schlagen. Vereinfacht gesagt, so Fleischmann, gehe es darum, erfolgreiche Strategien aus Natur und Evolution auf die Organisations- und Wirtschaftsprozesse von Unternehmen zu übertragen.

Zebras und Gnus an einer Wasserstelle
Die Einen hören gut, die Anderen sehen gut - Zebras und Gnus bilden eine erfolgreiche Partnerschaft.Bild: Fotolia/Onkelchen

Von der Natur lernen, heißt siegen lernen

In der Welt der Technik werden schon seit langer Zeit Naturlösungen auf technische Lösungen übertragen. Dem Erfinder des Klettverschlusses dienten die Häkchen der Klettfrucht als Vorbild. Der Sporthersteller Speedo ließ sich beim Design seines Ganzkörperschwimmanzugs von der Struktur der Haihaut inspirieren. Evolutionsmanagement geht noch einen Schritt weiter und versucht, Naturlösungen auf das gesamte Handeln in der Wirtschaft anzuwenden. Fleischmann zählt die Disziplinen auf, die besonders vom Vorbild Natur profitieren können: "Organisation, Strategieentwicklung, Wettbewerb, Kooperation und Innovation."

Ein Unternehmen, das diesen neuartigen Ansatz bereits in der Praxis erprobt hat, ist das Biotechnologie-Unternehmen BRAHMS Biomarkers. Dessen ehemaliger Geschäftsführer Metod Miklus gesteht, dass das nicht nur seiner Firma gut getan, sondern auch ihm persönlich genutzt habe. Das Evolutionsmanagement habe auch ihn "erfolgreicher und effizienter werden" lassen, sagte er DW-WORLD.DE.

Der Schlammspringer macht es vor

Portrait Frederik Fleischmann
"Schau auf die Natur!"sagt Frederik FleischmannBild: M.Theisling

Innovationen und Anpassungsfähigkeit spielen sowohl in der schnelllebigen Wirtschaftswelt als auch in der Natur eine bedeutende Rolle. Das Evolutionsmanagement geht davon aus, dass in vielen Unternehmen versteckte Innovationspotenziale vorhanden sind - in der Natur ist dies ähnlich. Ein Beispiel aus der Tierwelt: Der Schlammspringer ist eigentlich ein Fisch, der aber wie eine Amphibie lebt. Dank seiner kräftigen Brustflossen, die vor Jahrtausenden noch keinen unmittelbaren Nutzen zu haben schienen, war es ihm nach Veränderung seiner Umwelt möglich, sich mit ihrer Hilfe auch an Land fortzubewegen.

Übertragen auf die Wirtschaftswelt ist die SMS ein gutes Beispiel für solch ein verstecktes Potenzial. Die kurzen Nachrichten waren anfangs nur eine technische Spielerei einzelner Programmierer, die sie nutzten, weil eben noch Übertragungskapazität im Mobiltelefonnetz frei war. Dass Handynutzer daran Gefallen finden könnten, konnte sich anfangs niemand vorstellen. Doch nach und nach wurden die SMS immer beliebter und haben sich inzwischen als wahre Goldgrube der Telekommunikationsbranche entpuppt.

Gestärkt aus der Krise hervor

Schlammspringer (Periophthalmus papilio) auf einer Sandbank
Der Schlammspringer ist vielleicht keine Schönheit, aber ein echtes Erfolgsmodell der Evolution.Bild: picture-alliance/OKAPIA

Bei der Bewältigung von Krisen kann sich die Wirtschaft bei Mutter Natur in der Tat einiges abschauen. Denn immerhin haben sich im Laufe der Evolution einige sehr robuste Lebensformen entwickelt, die auch ausgesprochen unfreundliche Umweltbedingungen meistern mussten. Während vor rund 65 Millionen Jahren die hoch entwickelten Dinosaurier ausstarben, überlebten die damals winzigen Säugetiere. Der Grund: Sie verbrauchten nicht so viele Ressourcen, konnten ihre Nahrung besser verwerten und wurden durch ihr gutes Gehör schneller auf Gefahren aufmerksam. Im Laufe der Evolution sind folglich insbesondere die Arten gestärkt aus Krisen hervorgegangen, die gut an ihre Umwelt angepasst waren und ressourcenschonend haushalten konnten.

In Wirtschaftskrisen seien vom Grundsatz her ähnliche Tendenzen erkennbar, sagt Frederik Fleischmann und führt als Beispiel die Automobilindustrie an. In dieser Branche seien jene Firmen am besten an die aktuellen Marktbedingungen angepaßt, die konsequent ressourcenschonende Techniken einsetzten. Zur Zeit hat der Produzent das beste Argument, dessen Autos am wenigsten Treibstoff brauchen. Diese Firmen seien die Wettbewerbsgewinner und würden, sagt Fleischmann voraus, "gestärkt aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise hervorgehen".

Moderne Evolutionsbiologen betonen zunehmend die Relevanz symbiotischer Beziehungen. Gnus und Zebras in der afrikanischen Savanne haben sich beispielsweise zu gemischten Herden zusammen getan. Da die einen besser sehen und die anderen besser hören können, werden sie auf Gefahren sehr frühzeitig aufmerksam. Das Evolutionsmanagement greift diese Erkenntnis auf: Kooperation ist in der Wirtschaft ebenso bedeutend wie der kluge Umgang mit Konkurrenz. Die Lufthansa initiierte beispielsweise während der Luftfahrtkrise der 90er Jahre die StarAlliance. Durch das Bündnis mit anderen Fluglinien meisterte sie die Krise erfolgreich.

Autorin: Mareike Theisling
Redaktion: Dirk Kaufmann