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Babys für ein Visum - Asiatische Gastarbeiter in Israel

Thomas Latschan / mp18. März 2009

Rund 200.000 Arbeitsmigranten leben in Israel. Doch Israels Regierung stellt Arbeitsvisa nur für höchstens fünf Jahre aus, und so lassen die Migranten sich einiges einfallen, um trotzdem länger bleiben zu können.

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Asiatisches Lebensmittelgeschäft in Tel AvivBild: DW / Thomas Latschan

Asiatische Musik schallt laut über die Tel Aviver Levinski Street. Sie dringt aus einem internationalen Callshop. Hier stehen asiatische Gastarbeiter Schlange, um mal für ein paar Minuten mit der Familie zuhause zu telefonieren. Über den Lebensmittelläden rund um den Tel Aviver Busbahnhof prangen chinesische Schriftzeichen, rote Lampions hängen in den Eingangstüren. Hier gibt es eigene asiatische Zahnarztpraxen und Anwaltskanzleien. Fernab von der touristischen Strandpromenade, in diesem Viertel im Südwesten Tel Avivs, ist die Stadt fest in asiatischer Hand. Viele der rund 200.000 Arbeitsmigranten kommen aus China, fast jeder Vierte stammt von den Philippinen. Sie arbeiten als Hausmeister, Reinigungskräfte oder als Altenpfleger, doch nur ein verschwindend kleiner Teil von ihnen bekommt eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis.

Ein Magazin für die Migranten

Manila Tel Aviv Magazine Eingang zum Redaktionsbüro
Manila-Tel Aviv Magazine schmücken den Eingang zum Büro der RedaktionBild: DW / Thomas Latschan

Arnold Eligado besitzt sie. Er ist mit seiner Frau vor 15 Jahren aus Manila als Tourist nach Israel gekommen. Doch sie entschieden sich zu bleiben - freiwillig. Heute geben sie das "Manila Tel Aviv Magazine" heraus, die einzige Zeitschrift für Arbeitsmigranten im Land. Mit Kapuzenshirt und Sonnenbrille sitzt er an seinem Schreibtisch. In dem winzigen Büro im dritten Stock des Tel Aviver Busbahnhofs drängen sich fünf weitere Mitarbeiter und schreiben an Artikeln für das Magazin. Darin klären sie die Arbeitsmigranten über ihre Rechte auf, stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite und schaffen Öffentlichkeit. Sie begreifen sich als Anlaufstelle für ihre Landsleute, falls diese ungerecht behandelt werden. "Meist kommen die Leute zu uns, wenn sie Probleme haben, wenn ihr Arbeitgeber sie missbraucht, wenn sie ihren Lohn nicht bekommen oder wenn ihre Grundrechte verletzt werden", erzählt Eligado. Sie fragen nach Rat, und das Magazin berichtet über ihren Fall. "Vorher, ohne die Hilfe von uns und unseres Magazins, wussten die Arbeiter gar nicht, dass sie diese Rechte einfordern konnten", berichtet der Mittvierziger stolz.

Arbeiten im Graubereich

Hotline für Gastarbeiter, Tel Aviv
Es gibt auch eine Hotline für Arbeitsmigranten in Tel AvivBild: DW/Rottscheidt

Die Zeitschrift veröffentlicht auch Neuigkeiten der philippinischen Botschaft oder Ankündigungen des israelischen Innenministeriums. Dennoch, lächelt Eligado, sei die Beziehung zwischen dem Magazin und den israelischen Behörden nicht immer ganz einfach: "Sie sehen, dass wir da sind, um zu kritisieren, um zu zeigen, wenn sie im Unrecht sind". Außerdem habe keiner von ihnen ein Journalisten-Visum. Als sie vor fünf Jahren mit dem Aufbau des Magazins begannen, seien die meisten Redakteure verhaftet worden. "Sie dachten, wir seien eine Bedrohung", erzählt Eligado, "und anstatt den offenen Dialog zu suchen, haben sie damit begonnen, uns abzuschieben". Heute habe sich die Situation zu den Behörden jedoch größtenteils entspannt. "Und im Vergleich zu vielen anderen Ländern auf der Welt", sagt der Redakteur, "geht es uns in Israel noch ziemlich gut".

Ersatz für die Palästinenser

Asiatische Gastarbeiter in Tel Aviv, Busbahnhof
Asiatische Gastarbeiter am Busbahnhof von Tel AvivBild: DW/Rottscheidt

Die Zahl der asiatischen Arbeitsmigranten in Israel ist erst in den letzten Jahren stark angestiegen. Nach dem Ausbruch der Zweiten Intifada, des gewaltsamen Aufstands der Palästinenser im Jahr 2000, warb der Staat Israel verstärkt billige Arbeitskräfte aus Südostasien an. Und die Gastarbeiter übernahmen nach und nach immer mehr Jobs, in denen zuvor Palästinenser arbeiteten. Doch Arbeitsvisa werden in Israel höchstens für fünf Jahre ausgestellt. Und für die Arbeiter aus Asien, hat sich das zum größten Problem entwickelt. Denn oft nehmen Filipinos hohe Darlehen mit bis zu zehn Prozent Zinsen auf, um überhaupt nach Israel kommen zu können. Meist brauchen sie zwei bis drei Jahre, um diese Kredite wieder abzubezahlen. "Die zwei Jahre, die ihnen dann noch zum Geld verdienen bleiben, reichen ihnen aber nicht", erzählt Eligado. "Deshalb bleiben sie einfach hier". Mittlerweile soll jeder zweite Arbeitsmigrant illegal in Israel leben.

Ausnahmeregelung mit Folgen

Asien, männliche Babys bevorzugt
Ein Baby für eine AufenhaltsgenehmigungBild: AP

Um dem immer größer werdenden Problem zu begegnen, hat die israelische Regierung vor einiger Zeit eine einmalige Ausnahmeregelung geschaffen. Einige ausgewählte Familien, die schon mehrere Jahre im Land lebten und deren Kinder in Israel geboren wurden, bekamen eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis.

Doch auch die anderen Gastarbeiter sahen darin plötzlich eine Chance, über die ursprünglichen fünf Jahre hinaus zu bleiben. "Gerade die Frauen, deren Visa auszulaufen drohten, versuchten schwanger zu werden, um auch so eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu bekommen", erzählt Eligado. Die Ausnahmeregelung habe unter den philippinischen Arbeiterinnen einen wahren Baby-Boom ausgelöst. Doch der rechtliche Status dieser Kinder bleibt ungeklärt. Genauso wie die Frage, wer die Kinder betreuen soll, wenn ihre Mütter wieder arbeiten gehen. In israelische Kindergärten dürfen sie nicht gehen, also müssen sich die Arbeiter ihre Kinderbetreuung selbst organisieren. Und vor allem da wünscht sich Eligado vom israelischen Staat mehr Unterstützung. Er berichtet von neun Quadratmeter großen Zimmern, die 20 Kinder beherbergen, ohne anständige Lüftung, ohne ordentliche Sanitäranlagen und ohne Spielsachen. Niemand kümmere sich um diese Kinder. "Ich rede nicht von Aufenthaltserlaubnissen. Aber wo sie nun mal hier sind, müssen sie irgendeine Hilfe bekommen. Für mich ist das zurzeit das dringendste Problem in Israel", sagt Eligado.